Die Zufalle des Herzens
schloss das warme Braun seiner Augen sie in seinen Verlust, sein Überleben mit ein, und sie verspürte einen Anflug von Stolz, dass er sie daran teilhaben ließ. Sie ertappte sich dabei, wie sie den Arm ausstreckte und seine Hand drückte. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, eine flüchtige Reaktion – Überraschung, dachte sie. Oder vielleicht Panik? Schließlich war sie seine Angestellte. Sie sollte nicht über die angeschlagene Tischplatte hinweg seine Hand halten, als wäre das hier eine Verabredung zum Mittagessen in irgendeinem Pariser Café. Sie zog die Hand zurück und behauptete, sie müsse noch ein paar Anrufe erledigen, bevor ihre Mittagspause zu Ende sei.
Tatsächlich musste sie einen neuen Termin für Morgan vereinbaren. Sie sprach Bethany Sweet auf die Mailbox. Dann rief sie Connie an und hinterließ ihr eine Nachricht wegen Alders Auto. Danach waren immer noch zehn Minuten übrig – wen konnte sie sonst noch anrufen?
»Hallo Jack, hier ist Dana.«
»Oho«, sagte er, die Stimme wie bei einer spöttischen Bemerkung hebend und senkend. »Endlich hast du mal Zeit, zurückzurufen.«
»Entschuldige, aber die Kinder machen einfach ein bisschen … Ärger. Ich hoffe, du verstehst das.«
Er gab ein leises beschwichtigendes Brummen von sich. »Glaub schon«, räumte er ein. »Ich bin nicht der Typ, der sich zwischen eine Mom und ihre Kinder drängt. Nur hatte ich einfach nicht gedacht, dass du … na ja, das mit uns vergessen würdest.«
»Ich hab’s ja nicht vergessen. Aber du musst verstehen, dass sie bei mir Priorität haben. Und außerdem, auch wenn ich weiß, dass du es gut gemeint hast, kannst du nicht einfach so an meiner Arbeitsstelle aufkreuzen. Dann stehe ich ziemlich unprofessionell da.« Vor allem, wenn du dich meinem Chef gegenüber respektlos verhältst , dachte sie.
»Also dieser Typ, der ist irgendwie auf dem Machttrip«, beharrte Jack. »Konnte der dir nicht mal für eine Stunde freigeben? Das ist doch das Letzte! Was glaubt der denn, wer du bist – seine Sklavin?«
Eine Welle der Wut überkam Dana so rasch, dass sie das Gefühl hatte, jemanden schlagen zu können. »Das ist eine gemeine Äußerung, und noch dazu meilenweit von der Wahrheit entfernt«, sagte sie mit Nachdruck. »Tony Sakimoto ist einer der liebenswürdigsten, verständnisvollsten Männer auf der Welt.«
»Ach so, entschuldige bitte! Ich wusste nicht, dass er die Wiederkunft des Herrn ist, sonst hätte ich mich auf die Knie geworfen und seinen Ring geküsst!«
Dana kniff am Telefon die Augen zusammen. »Weißt du was?«, sagte sie. »Mit dir rede ich nicht mehr!«
»Ich auch nicht mit dir!«, brüllte er, und dann war die Leitung tot.
Noch ein Freund, den ich verloren habe , sagte sie sich. Aber sie konnte gar nicht so recht traurig darüber sein. Im Grunde war sie, wie sie überrascht feststellte, vor allem erleichtert.
Beim Anblick des ersten Patienten, der nach der Mittagspause hereinkam, wäre sie fast vom Stuhl gefallen.
»Hallo, gute Hexe!«, neckte er sie, über den Tresen gebeugt. »Ich hab gar nicht gewusst, dass Sie hier arbeiten.«
»Dermott! Ist … ist alles in Ordnung?« Sie hatte die merkwürdige Vorstellung, Mary Ellen oder einem der Kinder müsste etwas zugestoßen sein. Aber warum sollte er dann hierherkommen? Und es ihr erzählen?
»Anscheinend alles außer meiner Zahnhygiene.« Sie starrte ihn an. Verlegen starrte er zurück. »Fällt mein Termin aus? Mellie hat so viel Aufhebens darum gemacht, dass sie mich nur ja rechtzeitig absetzt.«
Sie senkte den Blick auf den Plan für den Tag. Da stand sein Name. »Oh, ja, tut mir leid. Ich wusste nur nicht, dass Sie hier Patient sind.«
»Ist schon okay. Ich hatte eigentlich gar nicht vor zu kommen, aber Mellie hat darauf bestanden.«
»Warum wollten Sie nicht kommen?«
»Na ja«, – er lächelte sie an – »Sie wissen schon.« Sie hatte keinen Schimmer, und das sah man ihr wohl an, denn er fügte hinzu: »Das ist ungefähr so, als würde man sein Auto durch die Waschstraße fahren, bevor man es verschrottet.«
Einen Moment lang fixierte er sie auf die ihm eigene Weise, und sie spürte, wie sie blass wurde. »Herrje«, murmelte er, »immer tue ich Ihnen das an.«
Und dann stand Tony in der Tür und sagte: »Na, Dermott, wie geht’s?«
»Beschissen«, erwiderte Dermott. »Und was immer Sie machen, fragen Sie mich nicht nach Veränderungen in meinem Gesundheitszustand.«
»Abgemacht.« Tony legte eine Hand fest auf Dermotts Schulter,
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