Die Zufalle des Herzens
Nachricht.
»Ich weiß, du hasst mich dafür, dass ich Nora von Morgans Problem erzählt habe, und ganz ehrlich, ich hasse mich auch. Victor meint, ich sollte mir mal den Kopf untersuchen lassen. Aber so mit Schweigen bestraft zu werden, halte ich nicht aus, Dana, und ich finde, ich verdiene die Chance zu einer Erklärung und Entschuldigung. Ich glaube, das bist du mir schuldig, also ruf mich bitte an.«
Dir SCHULDIG ? , dachte Dana. Und drückte die Löschtaste.
»Hallo, ähm, Ihr VW -Käfer steht bei uns im Hof, und zwar schon seit zwei Monaten. Geben Sie uns entweder grünes Licht für die Reparatur oder holen Sie die Kiste bis Thanksgiving hier ab.« Sie musste Connie anrufen und fragen, was mit dem Auto passieren sollte. Ihr Blick fiel auf Alder, die mit Grady das Nummernschild-Spiel spielte.
»Maine!«, rief Alder. »An dem grünen Geländewagen da drüben.«
»Den hatte ich schon gesehen!«, sagte Grady.
»Wer’s glaubt!«, gab sie zurück. »Such dir dein eigenes Maine.«
Dann war da noch eine letzte Nachricht. »Hallo, Dana. Ich will Ihnen gar nicht Ihre Zeit mit den Kindern stehlen, aber ich habe über das nachgedacht, was Sie mir gestern beim Mittagessen erzählt haben. Sie wissen schon, das mit Morgans Problemen und dem Disney-Ausflug und alles. Das ist ganz schön viel. Und ich wollte nur sagen, falls Sie ein bisschen Urlaub brauchen, um Dinge in Ordnung zu bringen, ist das von meiner Seite aus okay. Ganz ehrlich, Sie sind die beste Empfangskraft, die ich je hatte, und vermutlich liegt es in meinem eigenen Interesse, Sie bei Laune zu halten – und außerdem verdienen Sie es auch. Ich hoffe, Sie haben ein tolles Wochenende. Bis Montag.«
Dana seufzte und spürte, wie die Spannung aus ihrem Nacken wich. Sie speicherte die Nachricht, als könnte deren pure Existenz als Schutz gegen alle Schwierigkeiten dienen, die sie in den nächsten Tagen erwarten mochten.
»Zeit für die Badewanne«, sagte sie an diesem Abend vor dem Zubettgehen zu Grady.
»Da war ich gestern drin!« Er versteckte die Fernbedienung des Fernsehers hinter seinem Rücken.
»Das war für gestern gut, aber für heute zählt es nicht.« Sie ging zu dem Fernseher und drückte auf den AUS -Knopf.
»Aber ich bin sauber, das schwöre ich – riech doch mal an mir! Riech mal, wie gut ich rieche!«
Dana ergriff diese seltene Gelegenheit, Grady auf den Schoß zu nehmen. Mit sieben Jahren war er dafür fast zu groß, sodass sie ihn, einen Arm hinter dem Rücken und den anderen unter seinen Knien, zu einem Ball zusammenquetschen musste. Er kicherte und protestierte, versuchte aber nicht zu entkommen. Sie steckte ihm die Nase in den Nacken, worauf sein Lachen noch heftiger wurde. »Schweizer Käse!«, erklärte sie.
»Nie im Leben!«
Sie schnupperte an seinen Füßen. »Faule Eier. Vergiss die Badewanne – du gehst schnurstracks in die Waschmaschine!«
Sie trotteten die zwei Treppen zum Badezimmer im Obergeschoss hinauf, wo sie ein Schaumbad einlaufen ließ. Als er hineinstieg, raffte sie seine Sachen zusammen, um sie in den Wäschekorb zu stopfen. Die Hose hatte eine runde, harte Stelle, die sich bei einem Griff in die Tasche als Golfball entpuppte. Über die winzigen Dellen stand mit schwarzem Filzstift geschrieben: »Du bist spitze, Kumpel!«
»Wo kommt der denn her?«, fragte sie ihn.
»Der gehört mir!«
»Ich nehm ihn dir ja nicht weg«, beruhigte sie ihn. »Ich hab nur gefragt, woher du ihn hast.«
Er versank im Schaum, bis nur noch sein Haarschopf herausschaute. Dana wartete. Als er wieder auftauchte, schien er überrascht, dass sie immer noch da war. »Dad hat gesagt, ich kann ihn behalten«, grummelte er.
»Dad hat ihn dir gegeben?«
»Ja.« Grady schnaubte resigniert, als wäre er mit Schmugglerware erwischt worden. »Wir nennen uns gegenseitig manchmal ›Kumpel‹. Dad hat gesagt, wenn ich ihn vermisse, könnte ich einfach den Ball mit mir rumtragen. Okay? Deshalb darfst du ihn nicht verlieren.«
Wie Grady da mit Seifenschaum im Haar in der Badewanne lag, kam er ihr noch so klein vor. Den Körper zum größten Teil unter Wasser, sah er fast so aus wie damals, als er zwei oder drei war.
Wie ist das passiert? Wie ist mein Baby zu einem Jungen herangewachsen, dem ein Golfball als Ersatz für den Vater dient?
»Damit du weißt, wo du ihn findest: Ich lege ihn auf deine Kommode.« Damit verließ sie den Raum, während er immer wieder einen Plastikhai aus dem Badeschaum hinaus- und wieder hineinhüpfen ließ. Aus einer
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