Die Zufalle des Herzens
der Schubladen in seinem Zimmer zog sie eine Socke, auf die sie den Golfball legte, damit er nicht auf den Boden rollte.
Sie erinnerte sich, wie sie Jahre, nachdem ihr Vater gegangen war, ganz hinten im Kleiderschrank ihrer Mutter eins seiner Hemden fand. Ihre Mutter hatte die Schultern gezuckt. »Ich hab ihn immer noch geliebt«, sagte sie. »Trotz allem, was er getan hat.« Nachdem sie gestorben war, räumten Dana und Connie ihre Wohnung aus, und Dana suchte das Hemd, etwas in Sorge, dass sie es finden würde. Doch es war nicht da. Ihre Mutter war eine entschlossene Frau gewesen; sie hätte es nicht aus Versehen weggeworfen. Dana besann sich, wie sie gedacht hatte: Sie muss bereit gewesen sein, es loszulassen.
Grady war zweifelsohne nicht bereit, irgendetwas loszulassen oder die reduzierte Anwesenheit seines Vaters in seinem Leben zu akzeptieren. Und ihr wurde bewusst, dass Kenneth die Verzweiflung seines Sohnes womöglich auch verspürte. Wie musste er sich gefühlt haben, als er nach etwas suchte, um seinen traurigen, kleinen Jungen zu trösten, und dann diese Worte darauf schrieb? Wie fühlte es sich an, dem eigenen Kind einen unbelebten Gegenstand in die Hand zu drücken und zu sagen: »Tu so, als wäre das ich«?
Dana hatte so etwas nie tun müssen, und sie hoffte, dass das auch so blieb. Doch als sie so dastand und den Golfball betrachtete, wurde sie für einen Moment von Sympathie für Kenneth erfüllt.
Später, als Grady bereits den Schlafanzug angezogen und sich ins Bett gelegt hatte, kam sie noch einmal zu ihm, um ihm Gute Nacht zu sagen. Der Golfball lag nicht auf der Kommode, und sie wusste ganz genau, dass er ihn bei sich hatte, womöglich unter dem Kopfkissen oder, noch wahrscheinlicher, fest umschlossen im sicheren Hafen seiner Hand.
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D as war vielleicht nett von Ihnen«, sagte sie zu Tony, als er am Montagmorgen die große Glastür aufschloss. »Anzurufen, um mir ein bisschen Urlaub anzubieten!«
»Ja?«, sagte er, eine für ihn untypische Spur von Unsicherheit in der Stimme. »Nachdem ich aufgelegt hatte, habe ich befürchtet, Sie könnten es ein bisschen übertrieben finden, dass ich Sie einfach am Wochenende anrufe. Ich hatte mir aber vorgestellt, dass Sie etwas Zeit brauchen, um die Logistik auszutüfteln. Ich hätte es Ihnen natürlich auch einfach heute Morgen sagen können …« Seine Stimme wurde immer leiser.
»Ganz und gar nicht«, versicherte sie ihm. »Nach den anderen Nachrichten, die ich bekommen hatte, war es sogar so, wie wenn man einen Brief aufmacht und fürchtet, dass es eine Rechnung ist, und dann entpuppt sich das Ganze als ein Scheck.«
»Gut«, sagte er mit einem kleinen Seufzer der Erleichterung, als sie ihre Mäntel in den Schrank hängten. Tony wand sich den Schal vom Hals und zupfte an den Fransen. »Und … glauben Sie, Sie werden ein paar Tage freimachen?«
»Sie halten mich sicher für verrückt«, sagte sie schmunzelnd. »Aber ich bin gerne hier. Das ist der leichte Teil. Was ich wirklich brauche, ist eine Pause von allem anderen .«
Er erwiderte ihr Lächeln. »Gut. Das Angebot steht.«
Sie streckte die Hand aus und tätschelte seinen Arm. »Sie sind der beste Chef, Tony. Ehrlich, einen besseren kann man sich gar nicht wünschen.«
Als sie ihm beim Mittagessen von dem Golfball erzählte, nickte er wissend. »Ingrid hat sich Sachen für die Mädchen ausgedacht«, sagte er. »Die vielen Male, die sie ins Krankenhaus musste, und dann, am Ende …«
»Ach, Tony«, murmelte Dana.
»Ja, herzzerreißend.« Er schüttelte den Kopf. »Als sie versucht hat, dasselbe für mich zu machen, bin ich richtig wütend geworden.«
»Wütend? Warum?«
»Weil ich kein Kind bin, Herrgott noch mal. Ich kenne den Unterschied zwischen einem leblosen Objekt und meiner Frau! Im Übrigen hat mich die ganze Welt an sie erinnert. Alles war ein Symbol für das, was ich verloren hatte.«
»Ist das immer noch so?«
Er überlegte einen Moment. »Ja und nein. Seitdem habe ich die eine oder andere Erfahrung gemacht, Reisen unternommen, Freundschaften geschlossen. Jetzt geht es nicht mehr nur um sie, was ich für eine gute Entwicklung halte. Eine gesunde Entwicklung. Ich meine, wie um alles in der Welt hätte ich so weitermachen können? Da wäre ich inzwischen reif für die Klapsmühle. Aber ich brauche nur meine hübschen Mädchen anzuschauen … und schon ist sie da.« Er seufzte. »Schon ist sie da, und genau an der Stelle, wo sie hingehört.«
Als er den Blick zu ihr hob,
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