Die Zufalle des Herzens
der Hand hielt.
»Ich bleibe nicht allzu lange weg. Außerdem bin ich nur ein paar Häuser weiter.«
»Okay«, sagte Alder, ohne aufzublicken. »Hübsche Bluse.«
Dana schlüpfte, wie sie es immer tat, durch die Seitentür in Pollys Haus. Als sie mit einer Flasche Merlot in der Hand das Wohnzimmer betrat, bemerkte sie zuerst niemand, und das verunsicherte sie. Polly war ihre engste Freundin in Cotters Rock. Natürlich hatte sie andere Freundinnen – ehemalige Mitbewohnerinnen aus dem College, alte Kolleginnen, mit denen sie sich immer noch hin und wieder zum Mittagessen traf. Diese Frauen kannte Dana viel länger. Aber zu Polly hatte sie den besten Draht.
Und das machte Polly vermutlich zu ihrer besten Freundin, obwohl Dana sie nur zögerlich mit dieser Bezeichnung bedachte. Schließlich hatte Polly mit ihrem hitzigen Gemüt und dem bewundernswerten Talent, sich nichts aus dem zu machen, was die Leute sagten, haufenweise Freundinnen in Cotters Rock. Viele befanden sich genau in diesem Raum. Und nicht einer von ihnen fiel zufällig Dana auf, die in einer graugrünen Bluse, der besten, mit der sie für diese Gelegenheit aufwarten konnte, in der Tür stand.
»Da bist du ja!«, sagte Polly, während sie um eine größere Frau herumging. Sie umarmte Dana fest und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Dana reichte ihr den Merlot, worauf Polly grinste. »Gott sei Dank!«, flüsterte sie. »Du weißt, wie sehr ich diesen beschissenen Chardonnay hasse, den alle mitbringen.«
Die Unterhaltung zwischen den Frauen bewegte sich von Politik (konnte dieses bornierte Mitglied des Schulausschusses jetzt endlich abgewählt werden?) über Bücher (hauptsächlich Romane, die in anderen Ländern mit frauenfeindlichen Regimes spielten) bis hin zum jüngsten Skandal der Stadt. Die Geschichte, die sie in Aufregung versetzte, handelte von einer Achtklässlerin, die dabei erwischt worden war, wie sie nur halb bekleidet einem Neunzehnjährigen einen geblasen hatte. Die beiden hatten sich in der Buckland Hills Mall kennengelernt. Entdeckt wurden sie dann auf dem Nehantic Woods-Parkplatz in seinem Auto, auf dessen Boden leere Alkopopflaschen herumrollten.
Von dem Mädchen wusste man, dass sie ein ziemlich gestörtes Familienleben hatte. Sie lebte mit ihrer kettenrauchenden Mutter zusammen, die einen klapprigen Chevrolet Camaro fuhr. Von einem Vater wusste niemand etwas. Das war unglaublich beruhigend für die Frauen, die bei Polly zusammengekommen waren. Diese Mutter war nicht wie sie. Sie rauchten nicht. Sie fuhren keine verrosteten Sportwagen, und ihre Kinder hatten Väter, die bei ihnen waren oder sich wenigstens jedes zweite Wochenende um sie kümmerten.
Und doch … verbrachten ihre Töchter sicherlich gerne Zeit in der Mall und wurden neuerdings dazu getrieben, die Aufmerksamkeit von Männern selbst der übelsten Sorte zu suchen. Das Internet zog sie in ständig größer werdende Kreise von Freunden. Sie waren zwar technisch auf dem neuesten Stand, aber naiv wie schlanke Grashalme, die das räuberische Brummen des Rasenmähers nicht wahrnahmen.
»Und was soll das mit dem Oralsex?«, wollte Jeannette mit der schiefen Nase und dem seidigen roten Lippenstift wissen. »Genügt es nicht mehr, zu knutschen und sich gegenseitig zu befummeln? Müssen sie jetzt so … persönlich werden?«
»Wenigstens wird man so nicht schwanger«, sagte Polly.
»Ja, aber es ist einfach so … intim «, beharrte Jeannette. »Viel mehr als normaler Sex. Sex kannst du einfach … na ja … haben . Aber deinen Mund da unten hinhalten …« Dana fragte sich flüchtig, wie Jeannettes Ehe wohl lief. Doch ganz unrecht hatte sie tatsächlich nicht – was war heutzutage normal? Musste man diese Artikel in der Cosmopolitan lesen, die Titel trugen wie »Die sechzehn Geschlechtsakte, bei denen er Gott danken wird, dass er ein Mann ist«, und die Anleitungen dann auch noch befolgen? Wie heiß war heiß genug, und an welchem Punkt wurde es einfach krank?
Das Gespräch über den Blowjob auf dem Parkplatz ebbte allmählich ab, aber eigentlich waren die Frauen noch nicht bereit, den saftigen Knochen des Skandals wieder zu vergraben. Dana hatte die Nase voll davon. Sie verzog sich auf die Toilette. Fern dem unablässigen, empörten Geschnatter lehnte sie sich ans Waschbecken und schlang die Arme um ihren Oberkörper.
Alles wird gut , sagte sie sich. Morgan würde die Stürme der Pubertät genauso überstehen, wie sie selbst es getan hatte. Zuweilen mochte Morgan ja
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