Die Zufalle des Herzens
Dana zu fragen.
»Unleidliche Töchter kommen nach Hause, verärgerte Freundin bleibt endgültig in New York«, sagte er zwischen zwei Bissen. » Oje , das wird ein lustiges Thanksgiving!« Er nahm einen Schluck von seinem Eistee. »Jetzt erzählen Sie mir doch mal von dieser so völlig anderen Schwester von Ihnen.«
Nur zu bald kam der nächste Patient, aber den ganzen Nachmittag über tauchte er zwischen Behandlungen in ihrem Arbeitsbereich auf und murmelte Dinge wie: »Was ist mit Alders Vater?« und »Würden Sie sie mögen, wenn Sie nicht Ihre Schwester wäre?«
So sehr kann ihn das doch gar nicht interessieren , sagte sich Dana. Er versucht nur, sich von seinen eigenen Problemen abzulenken . Indem er die Zerstreuung durch das Drama eines anderen genoss, so wie sie selbst es getan hatte, obwohl sie wirklich etwas über Abby und Lizzie erfahren wollte. Sie ertappte sich dabei, dass sie hoffte, sie einmal kennenlernen zu dürfen. Und Martine … na ja, vielleicht nicht. Dana wusste, dass sie zu diesem Vorkommnis mit Martine nur eine Seite gehört hatte. Wenn Tony sich entschieden hatte, sie zu lieben, war sie höchstwahrscheinlich ein sehr netter Mensch. Vorausgesetzt, es war Liebe. Dieses spezielle Wort hatte er dafür nie benutzt. Irgendein anderes aber eigentlich auch nicht. Trotzdem hatte Dana einen nicht eben positiven Eindruck.
»Wenn Connie nicht meine Schwester wäre?« Darüber musste Dana nachdenken. Ihre instinktive Antwort lautete Ja, natürlich . Doch würde sie das wirklich tun? »Also, ich gebe es ja ungern zu«, sagte sie zu Tony, »aber Connie wäre nicht gerade die Sorte Mensch, von der ich mich angezogen fühlen würde.«
»So was!«, stichelte er. »Wo Sie beide sich doch wie ein Ei dem anderen gleichen. Ich meinte aber, wenn Sie wüssten, wer sie tief im Inneren ist. Wären Sie dann mit ihr befreundet?«
Tief im Inneren , sinnierte sie. Tony wollte aber auch über alles tief im Inneren Bescheid wissen.
Als sie später die Praxis zuschlossen, sagte er: »Halten Sie mich auf dem Laufenden, ja?«
»Wir sehen uns doch morgen Vormittag«, erinnerte sie ihn.
»Schon«, sagte er vage. »Aber falls … ich meine, wenn die Dinge völlig aus dem Ruder laufen und Sie jemanden brauchen sollten, um sich abzureagieren, können Sie mich zu Hause anrufen.«
»Okay, danke«, sagte sie mit einem Seitenblick in ihre Handtasche, die sie nach ihren Schlüsseln durchwühlte. Sie wusste nur zu gut, dass sie ihren Chef nie wegen eines privaten Problems zu Hause behelligen würde.
»Allerdings habe ich Ihnen, glaube ich, meine Nummer noch gar nicht gegeben.« Auf der Suche nach Papier und Stift, wie sie vermutete, klopfte er die Taschen seiner Bomberjacke ab. »Wissen Sie was«, sagte er mit ausgestreckter Hand. »Geben Sie mir Ihr Handy, dann programmiere ich sie ein.«
Als sie ihm das Handy gab, konnte sie nicht entscheiden, ob das Surren in ihrem Kopf bedeutete, dass sie entsetzt oder – noch schlimmer – erfreut darüber war, dass er sich mit ihren persönlichen Gegenständen solche Freiheiten erlaubte. So oder so war es ein schlechtes Zeichen.
Das entspricht einfach seinem normalen, freundlichen Wesen , sagte sie sich. Etwas, was er für jede Angestellte tun würde, die von ihrem Mann sitzen gelassen und von ihrer überheblichen Schwester heimgesucht worden war und die einen großen Feiertag ohne ihre Kinder, wahrscheinlich sogar ganz allein, vor sich hatte. Wer würde sich nicht eines solchen armen Teufels erbarmen?
Seine Miene hatte jedoch nichts von Mitleid, als er ihr das Handy zurückgab. »Ich hoffe, das war nicht anmaßend«, murmelte er. »Als Nächstes werde ich Ihnen noch von meinen Gesundheitsproblemen erzählen.«
»Haben Sie denn Beschwerden?«, fragte sie, mit einem Mal besorgt, er könnte an einer bisher verschwiegenen Krankheit leiden.
»Fit wie ein Turnschuh.« Er schmunzelte verlegen. »Ich wollte nur sagen, ich hoffe, dass ich nicht aufdringlich war … oder vermessen …«
»Ganz und gar nicht«, beruhigte sie ihn. »Und ich verspreche, nur in Notfällen Gebrauch hiervon zu machen.«
»Tun Sie es jederzeit«, sagte er. »Wirklich.«
- 39 -
M öglicherweise waren es die Currylinsen mit Sojafleisch. Hatte ihre Mutter nicht immer gesagt, stark gewürztes Essen vor dem Schlafengehen führe zu Albdrücken? Und Connie neben sich zu haben, die sich nahezu permanent rührte – entweder zuckten ihre Zehen oder sie knirschte mit den Zähnen –, war auch nicht hilfreich. Aus
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