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Die Zufalle des Herzens

Die Zufalle des Herzens

Titel: Die Zufalle des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fay Juliette
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sind Pillen. Sie bringen ihn zu uns zurück. Mach, dass er sie nimmt!«
    »Er ist so traurig«, sagte ihre Mutter, die sich wieder richtig auf eine der Schaukeln setzte und Schwung zu holen begann. »Er wird seine Dunkelheit nicht loslassen. Wirf die Kieselsteine weg und schaukel lieber mit mir.«
    »Ma, bitte!«
    Als ihre Mutter allmählich schneller wurde und immer höher schaukelte, ertönte vom Haus her Babygeschrei. »Deine Schwester kann nichts anderes als schreien und noch mal schreien«, murrte Ma. »Diesmal holst du sie.«
    »Ma, mach, dass Dad die Pillen nimmt!«
    »Nimm sie doch selbst.« Und die Schaukel löste sich vom Gestell und segelte hoch in den Himmel, bis ihre Mutter wie ein Ballon, der aus einem ganzen Strauß freigelassen worden war, aus ihrem Blickfeld entschwebte.
    Dana wachte vom Klingeln des Telefons auf, das den quälenden Schmerz des Verlassenseins ein wenig zerstreute.
    »Sag nicht, dass du immer noch im Bett liegst!«
    »Nicht mehr so richtig«, sagte Dana, während sie mit den Fingern durch ihr wirres Haar fuhr.
    »Krieg deinen Arsch hoch und komm her!«, befahl Polly scherzhaft. »Ich brauche Bewegung!«
    Dana zog ihre Sporthose und ein langärmeliges T-Shirt an. Auf dem Weg nach unten spähte sie in Morgans Schlafzimmer. Das Mädchen hatte sich um ein schwammartiges Kissen gerollt, das von der Form her an einen überdimensionalen Hershey-Schokoriegel erinnern sollte. Ihr Atem kam in langen, gleichmäßigen Zügen.
    Dana ging nach unten, wo sie dem Klang von Stimmen in die Küche folgte. »Schlag es einfach auf den Rand der Schüssel, G«, sagte Alder gerade.
    »Das kann ich nicht. Es ist so eklig und fies, wenn’s rauskommt.« Gradys Stimme.
    »Wenn du Rührei willst, musst du es machen. Ich brate sie dir, aber du musst sie aufschlagen.«
    »Guten Morgen«, sagte Dana. »Was gibt’s denn hier – einen Kochkurs?«
    Grady hielt ihr ein Ei hin. »Mom, mach du’s.«
    »Polly will walken gehen«, sagte sie, ohne das Ei zu beachten. »Ist hier alles klar?«
    »Geh nur. Es ist ein wunderschöner Tag«, sagte Alder. Draußen vor dem Küchenfenster war der Himmel von einem unruhigen Grau.
    »Bist du sicher?«, fragte Dana. »Ich bin nicht lange weg.«
    »Vollkommen. Geh nur.« Als Dana in die Diele ging, um ihre Turnschuhe zu holen, hörte sie Alder sagen: »Mann, was glaubst du denn, was da drin ist – Affenhirn? Jetzt mach schon.«
    Ein Knacken war zu hören, und Grady sagte: » IGITT !«
    Alder lachte. »Es gibt Schlimmeres als das, G.«
    Dana machte sich auf den Weg die Einfahrt hinunter. Ihre Lunge dehnte sich vollständig aus, und mit der feuchten Kälte der Luft sog sie ein Gefühl der Erleichterung darüber ein, dass sie sich von dem Haus und den Ereignissen des gestrigen Abends entfernte.
    Kurz darauf schloss sich Polly ihr an. »Ich habe mir letzte Nacht Sorgen um dich gemacht. Wie ist das mit Alder ausgegangen?«
    »Sie hat sich entschuldigt.«
    »Entschuldigt?« Polly schüttelte den Kopf. »Normalerweise streiten sie es ab. Oder sie sagen, es war in den Brownies drin, und sie hätten es nicht gewusst.«
    »Nein, sie hat die ganze Verantwortung auf sich genommen. Was es mit dieser neuen Freundin von ihr auf sich hat, habe ich allerdings immer noch nicht rausgekriegt.« Dana hätte Polly gerne wegen des Kusses gefragt – ob Kinder heutzutage so freizügig mit dieser Art von Dingen experimentierten. Aber das war zu persönlich. Alder gehörte jetzt zu ihr – einstweilen jedenfalls –, und der Schutz ihrer Nichte vor Amateuranalysen hatte Vorrang vor ihrem eigenen Bedürfnis nach Bestätigung.
    »Weißt du«, sagte Polly, »bei Mädchen im Teenageralter ist es so, dass sie ungefähr alle zwanzig Minuten die Freundinnen wechseln. Du würdest staunen. Sie probieren sie an wie Jeans in einem Kaufhaus. Vielleicht tragen sie sie eine Zeitlang, aber wenn sie nicht perfekt sitzen, behalten sie sie in der Regel nicht lange.«
    »Du meinst also, ich sollte ihr vertrauen?«
    »Tja, das ist noch mal eine ganz andere Geschichte. Es müsste ein anderes Wort dafür geben, wenn Eltern die Leine etwas lockerer lassen. Es hat schon was mit Vertrauen zu tun, aber in etwas, das so wechselhaft ist, dass man es kaum erträgt und sämtliche Daumen drücken muss.« Sie schwenkten auf eine Seitenstraße ein, die um den Nipmuc Pond herumführte. Von einer seichten Stelle flog ein Fischreiher auf, der so lange mit seinen schmalen, grauen Flügeln flatterte, bis er eine sichere Höhe erreicht hatte.

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