Die Zuflucht
als er uns sah, dann stürzten sie sich gemeinsam mit gefletschten Zähnen auf uns. Ihre Überzahl wäre kein Problem gewesen, wenn Miles mich nicht mit seinem Gewehr bedroht und im Würgegriff zurück zwischen die Bäume gezerrt hätte. Ich wehrte mich, so gut ich konnte, ohne von ihm erschossen zu werden, denn ich wollte Pirscher in diesem Kampf nicht allein lassen– genauso wenig wie ich wollte, dass dieses Schwein mich anfasste.
» Mach nur weiter so«, höhnte Miles. » Der Abzug ist schnell gedrückt, und dann spritzt dein Hirn hier quer über die Lichtung, Kätzchen. Aber so weit muss es gar nicht kommen. Du wirst sehen, ich kann richtig nett sein, wenn du mich lässt.«
Ich hörte die Kampfgeräusche in der Entfernung. Ellis feuerte zweimal, dann wurde es still. Pirscher rief nach mir, aber seine Stimme wurde immer leiser, je tiefer Miles mich in den Wald schleppte. Wenn Ellis zwei der Freaks erledigt hatte, würde Pirscher mit den anderen vier zurechtkommen. Das hoffte ich zumindest, denn die Spuren, die ich und Miles hinterließen, waren unübersehbar. Wenn einer der Freaks überlebte, konnte er uns problemlos folgen, so wie wir Bleich und Frank gefolgt waren.
» Nicht einmal einem widerlichen Wurm wie dir hätte ich zugetraut, dass er seinen besten Freund verrät«, fauchte ich. » Ellis hätte uns gebraucht in diesem Kampf, und stattdessen entführst du mich.«
Er drückte mir die Mündung des Gewehrs noch fester in den Nacken. » Es war die ideale Gelegenheit. Endlich einmal warst du abgelenkt. Ich musste sie ganz einfach ergreifen.« Seine Stimme wurde schwärmerisch. » Ich werde dich ganz langsam zerbrechen, Kätzchen. Mehrere Tage werde ich mir dafür Zeit lassen, und dann, wenn es anfängt, dir zu gefallen, wenn du beginnst, mich zu mögen, werde ich dir ein Messer ins Herz rammen. Ich werde zum Vorposten zurückkehren und die traurige Nachricht von deinem Ableben überbringen… und dem deiner Freunde. Und alle werden mir auf die Schulter klopfen, weil ich versucht habe, euch zu retten. Ich, der Held.«
Das glaubst nur du .
Trotzdem schien es mir das Beste, ihn in Sicherheit zu wiegen, und ich tat, als würde ich zittern vor Angst. Früher oder später musste er das Gewehr weglegen, denn er konnte mich wohl kaum begatten, solange er es noch in der Hand hielt. Zumindest konnte ich mir nicht vorstellen, wie.
Gary Miles war ein Schwachkopf. Er dachte, er wäre mir überlegen, dachte, er hätte bereits gewonnen. Stattdessen legte ich mir einen Plan zurecht. Ich ließ ihn meine Messer aus den Scheiden an meinen Oberschenkeln ziehen, und als er seine Hand dort liegen ließ, hätte ich mich am liebsten übergeben. Ich unterdrückte den Würgereiz, auch wenn Miles sich dann wahrscheinlich noch sicherer gefühlt hätte, aber ich brauchte die Kraft, die mir der spärliche Proviant gab. Sobald er tot war, würde ich Pirscher suchen, und falls er überlebt hatte, konnten wir endlich Bleich holen. Wenn er ebenfalls gefallen war, würde ich eben allein weitergehen.
Du hast Nassau überlebt, du hast den langen Marsch nach Oben überlebt. Gary Miles hat keine Chance gegen dich, Jägerin , flüsterte Seides Stimme in meinem Kopf.
Sie hatte recht. Meine Liebe zu Bleich und meine wilde Entschlossenheit würden mir helfen. Miles mochte stärker sein als ich, aber ich war schlauer. Stumm beugte ich den Kopf und wartete auf seine Anweisungen. Den Geräuschen nach zu urteilen, die er machte, gefiel ihm meine Unterwürfigkeit. Er schien sie sogar amüsant zu finden, so selbstgefällig war er. Das würde er bereuen, und wie.
» Wie wär’s, wenn wir ein bisschen Spaß miteinander haben?«, flüsterte er.
Und dann legte er das Gewehr weg. Er sah keinen Grund, weiter auf der Hut zu sein. Er nahm mich nicht ernst, weil ich nie mit den anderen trainiert hatte. Ich hatte Frank Wilson besiegt, aber soweit ich wusste, war Miles damals nicht dabei gewesen, und deshalb wusste er nicht, wie gut ich war. Er hatte mich Freaks töten sehen, aber Freaks waren harmlos im Vergleich zu einem verschlagenen erwachsenen Mann.
Für ihn war ich nur ein kleines, unbewaffnetes Mädchen, allein im Wald mit einem viel größeren und stärkeren Mann. So war es doch, oder?
War es nicht. Ich lächelte ihn an und bohrte ihm die Finger in die Augen, stach mit bloßen Händen bis tief hinein in die Höhlen.
Er schrie auf und schlug blind nach mir, aber er war zu langsam.
Ich war nicht mehr da, tänzelte um ihn herum und trat ihm von
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