Die Zuflucht
hinten in die Kniebeuge. Das Gelenk sprang aus der Pfanne, er brüllte vor Schmerz und sank zu Boden, aber ich war noch nicht fertig mit ihm. Ich hob den Fuß und trat mit aller Kraft auf den Knöchel seines anderen Beins. Die Knochen knackten so laut, dass rundherum Vögel aus den Bäumen aufflogen.
Miles blutete aus den Augen, er konnte nicht mehr laufen, und immer noch schlug er wild um sich in der Hoffnung, meine Bewegungen würden ihm verraten, wo er einen Treffer landen konnte. Hätte er wie ich gelernt, blind zu kämpfen, hätte es vielleicht gelingen können, aber so…
Ich holte aus und schlug ihm mit der Faust gegen die Schläfe. » Wie vielen Mädchen hast du schon etwas angetan?«
» Was kümmert’s dich?«, stöhnte er.
» Weil ich ihnen die Nachricht von deinem Tod überbringen will.«
» Ich bin es, der dich töten wird.«
» Wohl kaum.« Es hatte keinen Zweck, die Unterhaltung fortzusetzen. Seide hatte mich gelehrt, einen Kampf zu beenden, bevor er zu meinen Ungunsten kippen konnte. Ich war außer mir vor Zorn, und mir wurde klar, er würde ihre Namen niemals preisgeben, auch wenn ich sicher war, dass es noch andere gegeben hatte. Menschen wie er hörten nie auf, andere zu quälen. Sie ernährten sich von Schmerz. Miles’ Opfer schämten sich wahrscheinlich so sehr, dass sie niemandem gegenüber auch nur eine Andeutung gemacht hatten und sein krankes Verlangen geheim geblieben war. Ich wünschte, ich könnte ihnen irgendwie beistehen, aber vielleicht erfüllte auch die Nachricht von seinem Tod diesen Zweck. Kalt entschlossen nahm ich meinen Dolch und stieß ihn Miles ins Herz. Es war ein weit schnellerer Tod, als er verdient hatte.
Der Anblick seiner Leiche verschaffte der Jägerin in mir unendliche Befriedigung. Sie hatte komplett übernommen, es war nichts Weiches mehr an mir, ich kannte keine Reue und keine Vergebung. Mein blutiges Tagwerk gab mir eine schauerliche Genugtuung, als ich die Klinge an seinem dreckigen Hosenbein abwischte.
Du bist nicht besser als ein Freak, Miles, und genau so werde ich dich behandeln .
Als mein Hass sich gelegt hatte, hob ich seine Sachen auf und steckte sie ein. Das Gewehr hängte ich mir über die Schulter. Ich konnte zwar nicht so gut damit umgehen wie manch anderer in Erlösung, aber sein Gewicht beruhigte mich, wie einst die Keule, die Stein mir geschenkt hatte. Dann ging ich den Weg zurück, den wir gekommen waren. Es würde nicht lange dauern, bis ich den Kampfplatz erreichte.
Ich war noch nicht einmal dort, als mir Pirscher entgegentaumelte. Seine Hände waren rot von Blut, und ich musste ihn mit beiden Armen auffangen. Wäre er in Form gewesen, hätte er die Freaks erledigt, ohne auch nur einen einzigen Schweißtropfen zu vergießen, aber die lange Untätigkeit und die unruhigen Nächte mit Ellis und Miles hatten ihn geschwächt.
Er legte das vernarbte Gesicht auf meine Schulter. Sein Atem ging stoßweise, aber ich hörte kein verräterisches Gurgeln, das auf eine Lungenverletzung hindeutete.
» Ich wollte dich retten«, keuchte er.
Ich musste beinahe lachen. » Vor Miles ?«
Pirscher rang sich ein Grinsen ab. » Ich hätte es besser wissen sollen.«
» Wie schlimm ist es?« Ohne auf eine Antwort zu warten, hob ich sein Hemd an und inspizierte die Wunden. Er hatte mehrere Schnitte, und einer davon, direkt unter den Rippen, sah verdammt tief aus.
» Wir müssen sie säubern, damit sie sich nicht infizieren«, sagte ich.
» Willst du mich beleidigen? Ich hatte schon viel schlimmere.«
» Versuch jetzt nicht, den Helden zu spielen.«
Seine Mundwinkel zuckten. » Ich glaube, wir wissen beide, dass ich keiner bin.«
» Und du weißt, dass mir das egal ist«, erwiderte ich. » Gehen wir wohin, wo ich dich versorgen kann.«
» Ein kurzes Stück vom Waldrand entfernt ist ein See.«
» Schaffst du es bis dahin?«
Pirscher versuchte ein Achselzucken, und ich konnte sehen, welche Schmerzen ihm selbst diese kleine Bewegung bereitete. » Sieht nicht so aus, als ob ich eine Wahl hätte. Wir haben nicht genug Wasser, um es für meine Wunden zu verschwenden.«
Da hatte er recht. Ich hielt ihm meine Schulter hin, damit er sich darauf abstützen konnte, denn er musste noch andere Verletzungen haben, die ich noch gar nicht gesehen hatte. Unter anderem konnte er sein rechtes Bein nicht richtig strecken. Warum, wusste ich nicht.
Ich fragte ihn nicht, was aus Ellis geworden war. Ich würde es auch so früh genug erfahren. Als wir den Waldrand
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