Die Zuflucht
ihm. Seine Hände waren überall, suchten und tasteten wie die meinen, vorsichtig, ungeschickt und unwiderstehlich. Hauchzart berührte er meine Brüste, tastete durch den seidigen Stoff des Kleides, und in mir ging die Sonne auf.
Bleich umschlang mich und rollte sich herum, sodass er auf mir saß, bedeckte mein Gesicht mit schnellen, hungrigen Küssen. Sein Atem war ein tiefes, beinahe verzweifeltes Keuchen.
Ich streichelte ihm über den Rücken, ganz sanft, um ihm nicht wehzutun, und spürte ein immenses Verlangen. Nach was, wusste ich selbst nicht genau.
» Genug«, versuchte er zu flüstern, aber es klang mehr wie ein Knurren. » Ich habe zu Edmund gesagt, meine Absichten sind ehrenwert.« Er küsste mich auf die Schläfen, rieb seine rauen Wangen an meinem Hals und schloss zitternd die Augen.
» Alles in Ordnung?«, fragte ich und strich ihm übers Haar.
» Keine Sorge, ich werd’s überleben«, murmelte er, doch seine Stimme klang, als würde er, wenn er die Wahl hätte, lieber sterben. Aus irgendeinem Grund musste ich lachen, und Bleich biss mir in die Unterlippe. Ganz allmählich beruhigte er sich und zog mich an sich, presste meinen Kopf an seine Brust. Verunsichert schlang ich die Arme um seine Hüfte. Ich hatte noch nie mit jemandem so dagelegen, so eng, Arme und Beine ineinander verknotet. Ich nahm es als gutes Zeichen, dass er auf dem Rücken liegen konnte– seine Narben mussten so gut wie verheilt sein.
» Wo hast du so küssen gelernt?«, fragte ich leise.
Ich spürte seine Anspannung, aber er antwortete. » Es gab da so ein Mädchen Unten, eine Züchterin. Sie hat mir… Dinge gezeigt.«
Ich war wie vom Donner gerührt. Weitere Fragen stiegen in mir auf, Zweifel, mein Kopf drehte sich. » Habt ihr…«
» Nein. Wir haben uns nicht fortgepflanzt. Haben es nicht einmal versucht.«
» Was hast du für sie empfunden?«
Ich spürte, wie er die Achseln zuckte. » Ich war einsam. Und manchmal war es… schön, von jemandem berührt zu werden.«
» Du hast gesagt, Banner wäre deine einzige Freundin gewesen.«
» Diese Züchterin war keine Freundin. Sie brach gerne die Regeln, weil sie es aufregend fand.«
» Dann warst du für sie… eine Herausforderung?«
» Keine Ahnung. Wir haben nicht viel geredet, wenn wir zusammen waren, und wir haben uns nicht häufig getroffen. Nach Banners Tod bekam sie Angst, wir könnten erwischt werden. Außerdem hatte ich dich da schon kennengelernt.«
Zum ersten Mal konnte ich nachvollziehen, warum Bleich so eifersüchtig auf Pirscher war, obwohl ich ihm mehr als einmal versichert hatte, dass es keinen Grund dazu gab. Er würde diese Züchterin nie wiedersehen, und dennoch verursachte es mir einen tiefen Schmerz, dass es sie gegeben hatte, dass noch jemand anders wusste, wie Bleich schmeckte, wie er sich anfühlte. Nach allem, was Seide mir in meinem Fiebertraum berichtet hatte, war sie wahrscheinlich tot, aber das änderte nichts an meiner Eifersucht.
Mein plötzliches Schweigen beunruhigte ihn. Er rollte sich auf die Seite und schaute mir ins Gesicht. Im flackernden Kerzenschein sah ich, wie er die dunklen Augenbrauen zusammenzog. » Ich hab gewusst, dass du wütend werden würdest.«
» Das ist es nicht.«
» Was dann?«
» Ich weiß es selber nicht.« Das war die Wahrheit. » Es gibt nichts, vor dem ich Angst haben müsste, aber was du mir gerade erzählt hast… Mir wird fast schlecht bei der Vorstellung, wie du mit einer anderen zusammen bist.«
» Das kommt daher, weil ich dir gehöre«, sagte er sanft. » Genauso wie du zu mir gehörst.«
Diesmal widersprach ich nicht, denn jetzt wusste ich, was er meinte. Das Band zwischen uns duldete keinen Dritten. Es forderte absolute Hingabe. Und damit meinte er nicht, dass ich ihm gehörte wie ein Ding, wie ich es anfangs verstanden hatte. Es war weit komplizierter, ein Gespinst aus hauchfeinen Abstufungen von Gefühlen. Natürlich konnten wir auch andere Freunde haben, aber ich begriff, weshalb er nur mich und ich nur ihn küssen durfte. Der Verstand war allerdings noch nie meine schärfste Waffe gewesen. Ich würde mich auf meinen Instinkt und mein Gefühl verlassen müssen, damit dieses Band mich nicht vom Weg abbrachte.
Ich schmiegte mich an ihn und betrachtete sein Gesicht. Endlich musste ich keine Angst mehr haben, er könnte plötzlich aufwachen und mich dabei erwischen wie damals in den Tunneln. Die Nacht war kühl, aber nicht kalt, und wir genossen die Wärme, die wir einander spendeten. Ich
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