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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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wusste, es war schon spät, und ich sollte bald nach Hause gehen, aber ich konnte mich einfach nicht losreißen.
    » Ich wünschte, diese Nacht würde nie enden.«
    » Ich auch. Dann… bist du also nicht wütend?«
    Ich schüttelte den Kopf. » Es ist Unten passiert, bevor wir… vor uns . Wenn du gesagt hättest, es gäbe da ein Mädchen in Erlösung, mit dem du…«
    » Nein. Absolut niemanden. Ich verspreche es dir.«
    Eine Weile lagen wir noch da, und er streichelte mein Haar. Der Schlaf versuchte, sich meiner zu bemächtigen, aber ich kämpfte ihn nieder. Dies war für eine lange Zeit die letzte Nacht, in der wir so zusammen sein konnten, und ich war fest entschlossen, sie voll und ganz auszukosten. Auch Bleichs Augenlider wurden allmählich schwer, und er blinzelte mich schläfrig an.
    » Was hast du für Erinnerungen an deine Eltern?«, fragte ich, um uns wachzuhalten.
    Er überlegte eine Weile, die Finger in meinen Locken vergraben. » Meine Mutter hat das beste Brot der Welt gebacken. Sie hatte eine schöne Stimme und roch nach Blumen… ihr Haar war dunkel. Immer wenn sie arbeitete, hat sie gesungen, aber ich kann mich nicht mehr an den Text erinnern.« Er summte eine eindringliche, kleine Melodie, aber ich kannte das Lied nicht. Danach verstummte er, und erst nach ein paar Minuten verstand ich, dass das alles war, was er von seiner Mutter noch wusste.
    » Vielleicht kennt jemand in Erlösung das Lied und den Text dazu?«
    » Vielleicht.«
    Ich legte ihm eine Hand auf die Wange. » Erzähl mir von deinem Zeuger.«
    » Wozu?«
    » Ich möchte mehr über dich wissen, aber wenn es dir zu sehr wehtut, dann vergiss die Frage.«
    » Ein anderes Mal. Heute Nacht möchte ich nicht traurig sein.«
    Wir sprachen eine Zeit lang nichts mehr, und ich schlief ein. Erst kurz vor Tagesanbruch wachte ich wieder auf. Wenn Oma Oaks auf mich gewartet hatte, würde sie mir die Haare mit einem Steinkeil abschneiden– Draufgänger hatte dieses Bild einmal benutzt, um mir zu bedeuten, dass ich mächtig Ärger mit ihr bekommen könnte.
    » Bleich«, flüsterte ich. » Wir müssen los.«
    Mit einem Stöhnen rappelte er sich hoch, und wir sammelten unsere Sachen zusammen. Ich nahm die heruntergebrannten Kerzen, Bleich die Decke. Ich ging zur Tür hinaus, er verriegelte sie hinter mir und kam durch das Fenster nach. Hand in Hand gingen wir durch die fahle Morgendämmerung. Es war noch niemand auf den Straßen unterwegs. Ich machte mir Sorgen, wie die Oaks uns wohl empfangen würden, aber alles war ruhig, als wir durch die Hintertür ins Haus schlüpften. Erleichtert hauchte ich Bleich einen Kuss auf die Lippen.
    » Wir sollten noch ein bisschen schlafen«, sagte er leise. » Ich bleibe hier unten in der Küche.«
    Ich nickte und ging die Treppe hinauf in mein Zimmer. Mit etwas Glück würden sie nie erfahren, wie spät ich nach Hause gekommen war. Es war eine lange, anstrengende Nacht gewesen, und ich war froh, mich noch für ein paar Stunden in mein Bett zu legen können. Trotz meiner vagen Schuldgefühle schlief ich schnell ein.
    Mehrere Stunden später, Edmund war bereits zur Arbeit gegangen, wusch ich mich, zog mich um und frühstückte mit Bleich und Oma Oaks. Sie bestürmte mich mit tausend Fragen zu dem Tanzfest, und ich beantwortete sie mit Bleichs Hilfe, so gut es ging. In stillem Einverständnis erwähnten wir nicht, wie lange wir weg gewesen waren. Schließlich legte sich ihre Aufregung etwas, und sie sagte: » Jetzt muss ich mich aber an die Arbeit machen… vier Kleider für Justine und Caroline Bigwater.«
    » Damit sie auch immer schön vornehm aussehen«, murmelte ich.
    Oma Oaks spitzte die Lippen, als wollte sie etwas sagen, schien es sich dann aber anders zu überlegen.
    Statt nachzufragen, wechselte ich das Thema. » Wir haben noch ein paar Stunden. Ich möchte noch etwas kaufen, bevor wir zurückmüssen.«
    » Kann ich dich begleiten?«, fragte Bleich.
    » Natürlich.« Ich hoffte nur, er fragte nicht vor meiner Pflegemutter nach, was ich denn angeblich kaufen wollte.
    Sie winkte uns zum Abschied, ich küsste sie auf die Wange, stellte das benutzte Geschirr ins Spülbecken und lief nach draußen. Es war ein blasser, nebliger Tag. Bald würde es Regen geben.
    Offensichtlich konnte Bleich meine Gedanken lesen, denn er sagte erst etwas, als wir schon zehn Schritte vom Haus entfernt waren.
    » Was hast du vor, Zwei?« Sein Blick war ernst und besorgt, als rechnete er gar nicht mit einer Antwort.
    Ich schilderte ihm

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