Die Zuflucht der Drachen - Roman
überhaupt den Versuch unternehmen? Ich denke, nein. Diese ruchlosen Dämonen würden sich bei der ersten Gelegenheit gegen dich wenden. Such dir angenehmere Verbündete. Obwohl ich tausende von Jahren an Erfahrung gesammelt habe, habe ich nur selten versucht, mich ihrer zu bedienen, und ich empfinde mich ihnen gegenüber immer noch als gefährlich schwach.«
Seth konnte die Kälte der Kettenglieder durch seine Hose spüren. »Wäre es möglich, dass Sie den anderen nichts hiervon erzählen? Die meisten von ihnen wissen noch gar nicht, dass ich mitgekommen bin. Ich verstecke mich als Reserve. Sie wissen schon, für Notfälle.«
»Die du herbeiführst oder die du aus der Welt schaffst? Vermutlich wären deine Freunde schlecht auf dich zu sprechen, wenn sie wüssten, dass du am Schwarzbrunnen warst.«
»Die halten mich sowieso schon für einen Idioten.«
Agad hüstelte in seine Faust. »Patton hat diese Meinung nicht geteilt. Er hat eine Menge von sich selbst in dir wiedererkannt. Aber das hat ihm auch Sorgen gemacht, schließlich ist er viele Male nur knapp einem vorzeitigen Ende entronnen. Ich sehe ebenfalls große Entwicklungsmöglichkeiten in dir, Seth Sørensen. Die meisten Schattenwandler sind durch und durch böse. Du scheinst mir eher das Gegenteil zu sein. Sei vorsichtig hier bei uns. Ein Drachensanktuarium ist kein Ort für Draufgänger. Richtig eingesetzt kann dir dein Mut gute Dienste leisten. Aber Neugier, Verwegenheit, Abenteuerlust – diese Dinge werden dir wahrscheinlich nur den Tod bringen.«
»Ich werd versuchen, mir’s zu merken.«
Agad lächelte traurig. »Ich habe gelernt, keine allzu starken Bindungen an Besucher zu entwickeln. Ob du dein Ziel hier nun erreichst oder nicht, schon ein bloßes Überleben wäre bemerkenswert. Du solltest jetzt besser in deinen Rucksack zurückkehren.«
»In Ordnung. Danke für den Rat.«
Der Zauberer erhob sich. »Ich nehme an, es versteht sich von selbst, dass ich dich nie wieder in der Nähe des Schwarzbrunnens antreffen möchte.«
»Ich werde mich von den Stimmen fernhalten. Übrigens, was das Weitersagen betrifft …«
Agad zwinkerte ihm zu. »Ich werde es den anderen nicht erzählen, solange du es nicht tust.«
Drohende Wolken verschluckten weitgehend das Licht der Morgensonne, als Kendra auf der Mauer der Feste entlangschritt. Über ihr war der Himmel noch blau und klar, aber bleierne Wolken zogen sich von allen Seiten zusammen, als befände sich das Sanktuarium im Auge eines Hurrikans. Leichte Böen bewegten die Luft aus unberechenbar wechselnden Richtungen.
Vor ihr ging Simrin mit geschmeidiger Anmut, und die elastischen Schuppen auf ihrem Rücken wellten sich mit jedem Schritt. Hinter Kendra kamen Trask, Gavin und Tanu, jene drei, die sie für dieses letzte Gespräch mit Agad ausgewählt hatte. Simrin hatte erklärt, dass sich Agad in einem der Ecktürme der Feste mit ihnen treffen wolle.
Kendra war mit einem rauen, kratzigen Hals aufgewacht. Sie hatte gehofft, dass das Halsweh vergehen würde, sobald sie auf den Beinen war, aber nun wurde es eher noch stärker. Jedes Schlucken schien unangenehmer als das vorangegangene. Sie nahm sich vor, Tanu nach einem Heiltrank zu fragen.
Als sie an einem runden Turm anlangten, öffnete Simrin die schwere, eisenbeschlagene Eichentür und trat beiseite. Kendra ging voran in den dahinterliegenden Raum von etwa sieben Metern Durchmesser. Ein Teil der Wand war mit schmalen Schießscharten versehen. Auf einer Seite führte eine Holzleiter zu einer Klappe in der Decke. Simrin schloss die Eingangstür, ohne ihnen zu folgen.
Agad erwartete sie. Er hielt einen langen, schlanken Stab in der Hand und stand auf der gegenüberliegenden Seite des Raums. Auf dem Boden zwischen ihnen erstreckte sich eine Reliefkarte von Wyrmroost. Sie zeigte das gesamte Reservat samt den beiden hohen Gipfeln, jeder Menge hügeliger Wälder, mehreren Tälern, einigen Seen, vielen Bächen und einem winzigen Modell der Feste Schwarzbrunnen.
»Guten Tag«, begrüßte sie Agad. »Ich dachte, der kleine Kartenraum wäre der passende Ort für dieses Gespräch. Ich habe auch den größeren in Erwägung gezogen, aber die Karte dort zeigt zu viele Details. Ein Hüter muss einige seiner Geheimnisse schützen.«
»Sieht so aus, als bekämen wir heute vielleicht schlechtes Wetter«, bemerkte Trask.
Agad warf ihm einen verschmitzten Blick zu. »Ist das eine Frage oder eine Feststellung? Bestimmt ist Ihnen der unverhältnismäßige Mangel an Schnee
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