Die Zuflucht der Drachen - Roman
ihnen zu blicken. Ganz allmählich senkte sich das Felssims und wurde breiter, bis sie einen großen Felsvorsprung erreichten, auf dessen gesamter Länge Felsblöcke von Lastwagengröße verstreut lagen.
Tanu blieb abrupt stehen. Als Kendra nach vorn schaute, sah sie auf einem breiten, flachen Fels vor ihnen einen Greif sitzen. Sein goldbraunes Gefieder schimmerte im Sonnenlicht. Die Kreatur, die größer als ein Pferd war, hatte den Kopf, die Flügel und die Klauen eines Adlers und den Körper und die Hinterbeine eines Löwen. Der lange, gebogene Schnabel sah aus, als wäre er einzig und allein zum Zerreißen von Beute gemacht.
Der Greif hatte einen blutroten Sattel aus Leder auf dem Rücken, darauf saß ein Zwerg. Er hatte bronzefarbene Haut, schwarze Augen und einen Stoppelbart. Auf dem Kopf trug er einen zerbeulten Eisenhelm, ein Kurzschwert hing an seinem Gürtel, und in der Hand hielt er einen arg mitgenommenen Schild, auf dem eine gelbe Faust prangte. Nun hob der kleine Mann ein mit schwarzem Pelz besetztes Sprachrohr an die Lippen. »Dies ist der Tag, da ihr von einem Zwerg gefangen genommen wurdet.«
Trask richtete seine Armbrust auf ihn.
»Senken Sie Ihre Waffe, Sir«, verlangte der Zwerg ohne eine Spur von Besorgnis.
»Wohl kaum«, knurrte Trask. »Ich kann mit dem Ding nicht schlecht umgehen. Rutsch von dem Greif herunter und komm her.«
Das Grinsen des Zwergs wurde von dem Sprachrohr teilweise verdeckt. »Im Reich von Thronis dem Herrlichen haben Eindringlinge keine Befehle zu erteilen. Wenn ihr eure Waffen niederlegt und friedlich mitkommt, wird euch nichts zustoßen. Jedenfalls fürs Erste nicht.«
Trask schüttelte den Kopf. Die Armbrust blieb im Anschlag. »Das nächste Mal, wenn du deinen Mund aufmachst, wirst du einen Bolzen fressen. Und für dein Reittier habe ich auch noch einen. Mach, dass du wegfliegst, kleiner Mann. Wir wollen weder dir noch dem Riesen etwas Böses. Wir sind hier nur auf der Durchreise.«
Der Zwerg ließ das Sprachrohr sinken und stieß dem Greif sachte in die Flanken. Darauf machte das Untier einen Satz und verschwand hinter dem Felsbrocken.
Kendra hörte ein Brausen, und schon im nächsten Moment rauschte ein reiterloser Greif von hinten heran und packte Trask mit seinen riesigen Klauen an den Schultern. Mächtige Flügel senkten sich herab, und mit einem Ruck riss die Kreatur Trask in die Höhe. Ein zweiter Greif griff sich Dougan, und ein dritter nahm sich Tanu vor.
Gavin warf Kendra flach auf den Boden. Mara wirbelte herum und stieß ihren Speer in den Bauch des Greifs, der es auf sie abgesehen hatte.
Das Ungetüm kreischte und drehte ab. Der lange Speer steckte ihm tief im Fleisch. Mehrere andere Greife rauschten mit gespreizten Krallen vorbei.
»In den Rucksack«, flüsterte Gavin in Kendras Ohr. Er zog ihr den Lederbeutel von den Schultern und öffnete die Klappe. »Du auch, Seth«, keuchte er. »Rein mit dir.«
Die Greife, die bei der ersten Attacke leer ausgegangen waren, kamen zurück. Kendra zählte sieben, den Greif hinter dem Felsbrocken und diejenigen, die sich bereits einen aus ihrer Gruppe geschnappt hatten, nicht eingeschlossen.
Gavin fasste sie an der Schulter und stieß sie mit dem Kopf voraus in den Rucksack – eine unbequeme Art, eine Leiter hinabzusteigen, aber sie erwischte gerade noch die obersten Sprossen und schaffte es, sich festzuhalten und herumzudrehen. Eilig machte sie Platz für ihren Bruder. Sie hörte mehrere Greife schreien, ein viel tieferes und lauteres Kreischen, als irgendein Vogel es je hätte hervorbringen können.
»Klasse Sturzflug«, kommentierte Warren auf einen Ellbogen gestützt. Eine elektrische Laterne leuchtete neben ihm. »Was geht da draußen vor?«
»Greifangriff«, japste Kendra und starrte zur Rucksacköffnung hinauf. »Es sind jede Menge.«
»Greife attackieren normalerweise keine Menschen.«
»Sie haben bereits Trask, Tanu und Dougan gepackt.«
»Oh nein.«
Kendra beobachtete gespannt, wie der Rucksack geschlossen wurde. Jemand hatte die Klappe zugemacht.
Seth lief hinüber zu Gavin und begann in den Rucksack zu klettern. Er hatte schon ein Bein drinnen, als ihn mit großer Wucht ein Greif rammte, und er stürzte. Als er sich mit schmerzenden Ellbogen und Schultern wieder hochrappelte, begriff Seth, dass nicht er das Ziel des Angriffs gewesen war: Der Greif hatte Gavin gepackt und flog mit ihm himmelwärts.
Drei Greife stürzten sich in Formation auf Mara. Sie schlug ein Rad weg vom ersten und
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