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Die Zuflucht der Drachen - Roman

Die Zuflucht der Drachen - Roman

Titel: Die Zuflucht der Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penhaligon Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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entwand sich knapp den ausgestreckten Krallen des zweiten, aber der dritte erwischte sie. Heftig mit den Beinen um sich schlagend, wurde sie von dem Untier davongetragen.
    Seth hörte ein klimperndes Geräusch. Mendigo war als Späher vorausgelaufen, aber nun kam die Marionette zu ihnen zurückgeprescht. »Mendigo!«, brüllte Seth.
    Zwei Greife stießen hinab, und Seth warf sich neben einem Felsblock platt auf den Boden. Er spürte einen Luftzug, aber ihre Krallen waren leer, als sie sich wieder in die Lüfte erhoben. Die Marionette war inzwischen nur noch wenige Schritte entfernt.
    »Flieh mit dem Rucksack!«, rief Seth und scheuchte die Holzpuppe weg. »Pass auf Kendra auf!«
    Klauen packten Seth an den Schultern, starke Flügel schlugen, und er erhob sich in die Luft. Seth reckte den Hals und sah, wie Mendigo einem Greif zuvorkam, der sich den Rucksack ebenfalls schnappen wollte, und mit dem Rucksack unterm Arm davonjagte. Auf dem Weg zur Felskante wich der hölzerne Mann einem weiteren Greif aus, dann sprang er in die Tiefe und verschwand in der Schlucht.
    Konnte Mendigo einen Sturz aus so größer Höhe überstehen? Und was war mit Kendra? Seth wusste aus eigener Erfahrung, dass im Vorratsraum die Bewegungen des Rucksacks nicht zu spüren waren. Ganz gleich, wie sehr der Rucksack hin und her geworfen wurde, der Raum im Innern blieb in der gleichen Position. Er hoffte, dass das auch galt, wenn der Rucksack eine Steilwand hinabstürzte.
    Seth richtete seinen Blick nach vorn und sah, wie sie schnell höher stiegen und sich auf die Sturmspitze zubewegten. Mara, Gavin, Tanu, Dougan und Trask baumelten in den Klauen der Greife vor ihm. Der einzige Greif mit Reiter war der, auf dem der Zwerg saß. Seth spürte die scharfen Krallen bis durch seine Jacke hindurch, auch wenn sie seine Haut nicht durchbohrt hatten. Als er nach unten schaute, sah Seth unter seinen Stiefeln den fernen, felsigen Boden und dazwischen nichts als hunderte von Metern leerer Luft. Falls der Greif ihn fallen ließ, wäre es wie ein Fallschirmsprung – nur ohne Fallschirm. Glücklicherweise schienen die gewaltigen Klauen ihn gut festzuhalten.
    Mit dem Greif zu fliegen war unleugbar ein aufregendes Gefühl. Während sie stiegen, flog die Kreatur manchmal so gewagte Kurven, dass Seths Magen kribbelte. Bisweilen schlug der Greif heftig mit den Flügeln, dann wieder glitten sie im Schwebeflug dahin, und der Wind pfiff Seth um die Ohren. Höher und höher kletterten sie in den Himmel, bis Seth das Gefühl hatte, über einer Karte von Wyrmroost zu schweben – mit Miniaturbäumen, Bergrücken, Felswänden, Seen und Schluchten.
    Die Hänge der Sturmspitze waren immer stärker verschneit, je mehr sie an Höhe gewannen. Seth schaute nach oben, aber sie flogen zu nah am Berg, und er konnte den Gipfel nicht sehen. Die Luft wurde allmählich kühler. Der Morgen war relativ warm gewesen, und Seth trug keine Handschuhe. Er schaffte es zwar, den Reißverschluss seiner Winterjacke zuzumachen, aber der pfeifende Wind kühlte ihn immer weiter aus. Abwechselnd massierte er sich die eiskalten Ohren und Hände.
    Schließlich sah Seth den Gipfel. Direkt unterhalb der höchsten Spitze erblickte er auf einer vorspringenden Felsfläche ein riesiges Herrenhaus, dessen vorderer Teil durch eine beachtliche Zahl von Pfeilern und Verstrebungen gegen den Fels abgestützt wurde. Das weitverzweigte Gebäude hatte steile Schieferdächer, gewaltige Schornsteine und breite, steinerne Innenhöfe. Je näher sie kamen, umso beeindruckender wurden die Ausmaße des Hauses. Allein die Geländer rund um die Terrassen waren höher als Seths Elternhaus, und die Vordertür war noch einmal beträchtlich größer.
    Als sein Greif den anderen auf die riesige Veranda vor der kolossalen Tür folgte, begriff Seth, dass die Ausmaße des Hauses eigentlich zu erwarten gewesen waren. Schließlich war es das Heim des größten Riesen der Welt.
    Kendra lauschte von den obersten Sprossen der Leiter aus dem Lärm draußen. Die grimmigen Rufe der Greife vermischten sich mit den Schreien ihrer Freunde. Sie hörte Seths Befehl an Mendigo, den Rucksack zu packen, hörte das Zischen des Windes, als sie die Steilwand hinabstürzten, und sie hörte auch den heftigen Aufschlag von Holz auf Stein, als sie landeten.
    In Erwartung des Aufpralls hatte Kendra die Leiter verzweifelt umklammert, aber innerhalb des Vorratsraums war nichts zu spüren. Der Raum kippte, wackelte oder erzitterte nie. Sie hörte Klirr- und

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