Die Zuflucht der Drachen - Roman
zu beachten, fuhr der Riese fort. »Ist dir klar, dass diese Kette sich zusammenzieht und mir die Luftröhre zerquetscht, sobald ich eine Lüge ausspreche?«
»Agad hat es mir nicht persönlich erzählt, aber ich habe davon munkeln hören.«
»Gut zu wissen, dass die Nachricht von meinem Fluch an das Ohr eines jeden Neuankömmlings dringt«, bemerkte Thronis trocken. »Agad bildet sich sehr viel auf diese Leistung ein. Und dazu hat er auch allen Grund. Ich verstehe mich selbst ein wenig auf das Wirken von Zaubern und lasse mich nicht leicht übertölpeln. Ich habe lange Jahre mit dem Versuch verschwendet, die Kette herunterzubekommen und den Zauber aufzuheben, bis ich schließlich zu dem Schluss gekommen bin, dass es möglicherweise einfacher ist, immer die Wahrheit zu sprechen. Was ich damit sagen will: Wenn wir eine Abmachung treffen, werde ich meinen Teil auch einhalten. Ich muss es tun, sonst sterbe ich.«
Seth stemmte die Hände in die Hüften. »Und woher wissen wir, dass der Zauber auch echt ist? Oder dass du nicht irgendwie eine Möglichkeit gefunden hast, ihn zu umgehen?«
»Tja, das lässt sich wohl schwer beweisen. Nichtsdestoweniger ist es wahr. In deiner gegenwärtigen Lage musst du mir schon glauben, ob du willst oder nicht.«
»Was wäre das für eine Abmachung?«
Thronis bedachte Seth mit einem listigen Grinsen. »Gib mir einen Moment Zeit, um dich ins Bild zu setzen. Ein Riese von meiner Größe ist ein furchterregender Gegner, selbst wenn er keine Magie beherrschen würde. Kein Zweifel, ich bin schon auf den ersten Blick einschüchternd. Aber einem flüchtigen Blick entgehen dennoch all die Jahrtausende, die ich gelebt habe, all die Zauber, die ich beherrsche, meine unglaubliche Flinkheit, mein Geschick im Umgang mit Waffen oder meine wahre Stärke – eine rohe Gewalt, die das aufgrund der schieren Größe meines Körpers Erwartbare noch bei weitem übersteigt. Die meisten wissen, dass die Haut eines Riesen extrem dick und robust ist. Und nun halte einen Moment inne und wirf einen Blick auf meine zusätzliche Ausrüstung.«
Er deutete auf die Schlachtenutensilien an der Wand. »Überleg dir nur, welche Unmengen an Stahl man für derart prächtige Waffen und die Rüstung braucht und welche zusätzliche Sicherheit sie bietet. Hast du jemals von einem Riesen mit einer Plattenpanzer-Rüstung gehört? Lass mich in voller Rüstung aufmarschieren, händige mir meine Waffen aus, und ich könnte jeden Drachen dieses Sanktuariums in einer Feldschlacht besiegen, Celebrant vielleicht ausgenommen. Doch trotz all dieser Vorzüge habe ich es nie gewagt, dem Drachentempel die Stirn zu bieten.« Thronis sah Seth bedeutungsvoll an. »Das liegt nicht etwa daran, dass mir sein Standort verborgen wäre. Ich habe hier in einem angrenzenden Raum zwei besondere Kugeln, eine weiß, die andere dunkel. Die dunkle hilft mir, das Klima zu regulieren. Und durch die weiße kann ich sehen. Von meinem Heim auf der Sturmspitze kann ich den größten Teil von Wyrmroost überblicken und einen großen Teil der Welt jenseits der Mauer. Auch wenn ich nicht in den Drachentempel hineinsehen kann, weiß ich doch genau, wo er liegt. Drachen sind berüchtigt dafür, dass sie Schätze horten. Ich hüte selbst einen nicht gerade kleinen. Wie viele Drachentempel, meinst du, gibt es auf der weiten Welt?«
»Nur einen einzigen?«, versuchte es Seth aufs Geratewohl.
»Es gibt drei, einen in jedem der verbotenen Sanktuarien. Und jeder dieser Tempel beherbergt einen ganz herausragenden Schatz, die mächtigsten Gegenstände, welche die Drachen der Welt angesammelt haben. Und jeder Tempel verwahrt einen bestimmten Talisman, den von sterblichen Händen fernzuhalten die Drachen ganz besonders erpicht sind. Dass ihnen diese drei Talismane zugesprochen wurden, war einer der Gründe dafür, warum sie sich damals überhaupt bereit erklärt haben, in die Sanktuarien zu gehen. Weißt du, welcher Talisman sich in dem Drachentempel hier in Wyrmroost befindet?«
»Panzerhandschuhe?«, riet Seth. Warren hatte ihn über die Nachricht informiert, die Kendra von Pattons Grab abgeschrieben hatte.
»Genau. Die berühmten Panzerhandschuhe des Weisen. Der Legende zufolge müssen die Drachen dem Mann gehorchen, der sie trägt. Glaubst du, dass ich solche Panzerhandschuhe ganz gut gebrauchen könnte?«
»Wahrscheinlich, da du in einem Drachensanktuarium lebst.«
Thronis schüttelte den Kopf. »Nein. Sie würden ja nicht mal auf meinen kleinen Finger passen.
Weitere Kostenlose Bücher