Die Zuflucht der Drachen - Roman
Sørensen . Die Worte traten ihr deutlich in den Sinn, beinahe so, als seien sie laut ausgesprochen worden. Der Gedanke war mit einem deutlichen Gefühl der Erleichterung verbunden.
»Ich höre dich«, wisperte Kendra. »Danke, dass du mich gerettet hast, als ich in den Okulus geschaut habe.«
Ein riskantes Unternehmen. Nicht nur kann dein Geist in der Flut der Sinneseindrücke ertrinken, du machst dich, während du durch den Okulus spähst, auch selbst anfällig dafür, von anderen beobachtet zu werden – so wie ich dich gesehen habe.
»Ich wollte niemals von ihm Gebrauch machen«, beteuerte Kendra. »Der Sphinx hat mich dazu gezwungen.«
Ein gefährlicher Mann.
»Hast du ihn gesehen, als er den Okulus benutzt hat?«
Ja. Sein Geist war vorübergehend offen für meinen prüfenden Blick.
»Was hast du in Erfahrung gebracht? Hast du eine Schwäche entdeckt?«
Ich war aufrichtig überrascht festzustellen, dass er ein Mensch ist und keine getarnte Kreatur.
»Wie kann er dann so alt sein?«
Mit Hilfe von Magie, wie sonst? Ich konnte die genauen Mittel, derer er sich bedient, nicht identifizieren. Aber ich habe gesehen, dass er aufrichtig glaubt, seine Sache sei eine gerechte.
»Dämonen zu befreien? Spinnt er?«
Er ist irregeleitet. Er weiß, dass kein Gefängnis für immer Bestand hat. Er befürchtet, dass eines Tages andere, die weniger fähig sind als er, die Dämonen freilassen und es nicht vermögen werden, ihre Macht zu bezähmen. Er vertraut darauf, dass er es richtig machen und ihre Wildheit im Zaum halten kann. Aber seine Motive sind unrein. Neben seinen anderen Beweggründen verlangt es ihn auch nach Macht. Er denkt, er könne die Dämonen seinem Willen unterwerfen, aber er irrt sich. Die Welt wird dafür bezahlen, wenn er die Schlösser von Zzyzx öffnet.
»Was hast du sonst noch über ihn herausbekommen?«, fragte Kendra fasziniert.
Nur wenig. Wenn ich mehr Zeit gehabt hätte, hätte ich viel mehr erfahren können. Irgendjemand hat ihm geholfen, aus seiner Trance zu erwachen, so wie ich dir geholfen habe. Keiner aus seinem Umfeld. Jemand, der aus weiter Ferne nach ihm gegriffen hat. Ich konnte nicht spüren, wer es war. Sobald der Sphinx den Okulus losließ, wurde meine Verbindung zu ihm durchtrennt.
Kendra fragte sich, wer wohl dem Sphinx geholfen haben mochte zu erwachen. Es fiel ihr niemand ein. Ihre Gedanken kehrten zu ihrer gegenwärtigen Situation zurück. »Ich brauche Hilfe. Navarog versucht, den Schlüssel zu einem Gewölbe in Australien an sich zu bringen, das wiederum einen Bestandteil des Schlüssels für Zzyzx birgt. Der Schlüssel zu dem australischen Gewölbe befindet sich im Drachentempel hier in Wyrmroost. Wir versuchen, ihn zu bekommen, bevor unsere Feinde eine Gelegenheit dazu finden, aber eine Gruppe von Greifen hat sich Seth, Trask, Tanu, Mara, Dougan und Gavin geschnappt. Warren ist bei mir, aber er ist schwer verletzt. Ein Drache namens Raxtus hilft uns.«
Ich verstehe deine Notlage. Der Bestrebungen des Sphinx gewahr zu werden, hat mir geholfen, den Ernst der Lage zu erkennen. Leider bin ich in Wyrmroost beinahe blind. Nur sehr wenige Feen leben hier, und die meisten sind einsiedlerisch und unwirsch. Ich habe erst von deiner Anwesenheit hier im Sanktuarium erfahren, als du dich meinem Schrein genähert hast.
»Was ist mit den Astriden? Vielleicht könnten sie helfen?«
Zorn wallte in Kendra auf. Sie war wütend und verletzt, der bittere Nachklang einer unverzeihlichen Kränkung. Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass die Gefühle nicht ihre eigenen waren. Sie kamen von der Königin.
Ich habe kein Interesse an ihrer Hilfe. Du wärst gut beraten, sie zu ignorieren.
Kendra gab sich alle Mühe, sich von den Zornesregungen zu lösen, die die Königin verströmte. Sie verspürte den Wunsch, jemanden zu schlagen. »Wie lange ist es denn her, dass sie sich etwas haben zuschulden kommen lassen?«
Das war vor Äonen. Ihr Versagen hat einen nicht wiedergutzumachenden Schaden angerichtet. Die Zeit hat meine Qual nicht gelindert. Ihre Nachlässigkeit hat bleibende Folgen, und ebenso soll auch ihr Exil fortdauern.
»Aber nach all der Zeit dienen sie dir noch immer. Hast du nie an Vergebung gedacht?«
Der brennende Zorn verebbte, an seine Stelle trat ein kühleres, kopflastigeres Gefühl.
Dein weichherziger Wunsch, Gnade walten zu lassen, entspringt deiner Unwissenheit. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was alles verlorengegangen ist. Die Tragödie wäre so
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