Die Zuflucht der Drachen - Roman
Bitterkeit.
»Erst mal nur ihn«, meinte Gavin grinsend. Das Grinsen wirkte falsch auf seinem Gesicht. Zu süffisant, zu haifischartig. Der Junge, den sie einmal gemocht hatte, hätte niemals so gegrinst.
»Hast du noch irgendwelche von den anderen gefressen?«, fragte Kendra.
»Ich konnte sie nicht finden«, bekannte Gavin. »Seth könnte zu Thronis entkommen sein. Ich habe den roten Drachen an den Hängen der Sturmspitze gefunden. Er war von einem riesigen Pfeil durchbohrt. Schwer zu sagen, wohin dein Sturm Trask geweht hat. Selbst Mara könnte überlebt haben, ich konnte zumindest keine Leiche finden. Sie ist sehr geschickt und könnte sich irgendwie festgehalten haben, nachdem sie über die Felskante gefallen ist. Vielleicht habe ich ihren Leichnam aber auch einfach übersehen. Keine Sorge, keiner deiner Freunde wird dir zu Hilfe kommen. Ich habe ein Stück vom Sims draußen vor der Kluft zerstört, und Nafia steht Wache.«
»Und was schützt dich vor mir?«, fragte Kendra und umklammerte den Regenstab wie eine Waffe.
Gavin lachte herablassend. »Du bist mutig, Kendra, aber ist es denn nötig, dich zu blamieren?« Er unterstrich seine Worte, indem er sein Schwert einige Male durch die Luft sausen ließ. »Zugegeben, als Drache bin ich mächtiger, aber selbst in dieser unbeholfenen sterblichen Gestalt habe ich übermenschliche Kräfte und Reflexe. Du hast einen kleinen Vorgeschmack darauf bekommen, was ich vermag, als wir in diese Schlacht auf der Verlorenen Mesa hineingezogen wurden, und selbst da habe ich mich zurückgehalten und versucht, meine Tarnung nicht auffliegen zu lassen.«
Kendra ließ den Stab sinken. »Du hast die Drachen getötet, die gegen dich gekämpft haben? Gerade eben, meine ich?«
Gavin feixte. »Sie waren mir nicht gewachsen. Ein dritter Drache hat sich ebenfalls in den Kampf gegen mich eingemischt, eine graue Bestie mit gebogenen Hörnern. Aber sie sind alle gefallen. Der Wind, den du heraufbeschworen hast, hat mir in die Hände gespielt. Bei schlechtem Wetter war ich anderen Drachen schon immer überlegen. Zum Schluss hat mir noch Nafia geholfen. Nicht, dass ich ihre Unterstützung gebraucht hätte.«
»Ich hatte gehofft, dass dich der Wind vielleicht daran hindern könnte, zu mir zu kommen.«
»Wenn der Wind stark genug ist, kann es auch für die Besten von uns riskant werden, in der Luft zu bleiben. Aber wir können jederzeit die Flügel anlegen und zu Fuß gehen.«
»Du musst als Drache gegen die Hydra gekämpft haben«, begriff Kendra.
»Weshalb sonst wäre ich wohl allein losgezogen?«
Kendra zog die Brauen zusammen. »Aber du hast gesagt, du hättest mit Pfeilen und einem Speer gegen sie gekämpft. Warum hat dich die Halskette nicht erwürgt?«
Gavin grinste. »Ich habe wirklich mit Pfeilen und dem Speer gegen sie gekämpft … zuerst. Danach habe ich meine Drachengestalt angenommen. Die Hydra war ein gefährliches Hindernis. Selbst in Drachengestalt schien es mir fragwürdig, ob die Sache gut ausgehen würde. Sie hat sich wacker geschlagen. Und die Halskette war lästig. Sie ist die ganze Zeit über an meinem Hals geblieben. Runtergefallen ist sie erst, kurz bevor ich hierherkam, was nur bedeuten kann, dass Seth es bis zu Thronis geschafft haben muss.«
Erleichterung durchflutete Kendra. Zumindest ihr Bruder würde vielleicht lebend aus Wyrmroost herauskommen.
»Wie auch immer – genug in Erinnerungen geschwelgt. Ich weiß, dass der Schlüssel im Rucksack ist, ebenso wie das Horn. Wir brauchen das Horn, um das Tor zu öffnen, und natürlich werde ich nicht ohne den Schlüssel gehen.«
»Ich werde nicht mit dir kommen«, sagte Kendra entschieden.
»Da liegst du aber falsch«, widersprach Gavin. »Du hast in dieser Angelegenheit keine Wahl. Ich würde dich ungern bewusstlos schlagen müssen. Als Drache könnte ich dich vermutlich einigermaßen ertragen. Als Mensch mag ich dich richtiggehend. Lass uns versuchen, die Sache mit Anstand über die Bühne zu bringen.«
Kendra lachte ungläubig. »Du magst mich überhaupt nicht. Du willst mich bloß als deinen willenlosen Spielball dabeihaben, für den Fall, dass du irgendwelche magischen Gegenstände aufladen musst.«
»Gut, das spielt auch eine Rolle.«
»Na gut«, sagte Kendra und ließ sich an die Wand sinken. »Ich nehme an, ich habe keine andere Wahl.«
»Gib mir den Rucksack«, forderte Gavin.
Kendra hob den Rucksack auf und hielt ihn Gavin hin. Als er zugreifen wollte, schlug sie mit aller Kraft mit dem Stab
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