Gefährten
[email protected] »So ködert sie ihre Opfer?«, fragte Kendra ungläubig.
Haden und Cody wechselten unbehagliche Blicke.
»Wir waren so dumm«, gestand Cody.
»Klang nach leicht verdientem Geld«, fügte Haden hinzu. »Ich war neugierig.«
»Sie hat nämlich auch so etwas wie ein Gewissen, weißt du«, warf Cody ein.
»Vor allem, wenn sie anfängt zu reden und zu reden und mit dem Reden nicht mehr aufhören kann«, bemerkte Haden und verdrehte die Augen.
»Sie redet sich ein, sie würde nur Leute um ihre Jahre schröpfen, die hinter ihrem Geld her sind. Dass sie nur von denen nimmt, die selbst nehmen. Aber natürlich hatten wir nie die Chance, etwas zu nehmen. Und sie hat sich überhaupt nicht die Mühe gemacht herauszufinden, was für Typen wir sind.«
»Wir sind nicht schlimmer als die meisten anderen auch. Wir hatten nichts Böses im Sinn. Wir sind einfach über die falsche Annonce gestolpert.«
»So wie es auch der nächste arme Kerl bald tun wird.«
»Und dann werden wir noch ein neues Gesicht hier haben.«
Cody zog die Augenbrauen hoch. »Gleich zu Gleich gesellt sich gern.«
Ihrem angeblichen relativ jungen Alter zum Trotz benahmen sich die beiden eindeutig wie schrullige alte Käuze. Das warf für Kendra die Frage auf, inwieweit ihre gealterten Körper womöglich ihre Persönlichkeit beeinflussten. »Apropos neue Gesichter«, begann sie, »was wolltet ihr beide mir eigentlich erzählen? Ihr wisst schon, um mir zu helfen.«
Haden rückte seine Brille zurecht. »Vertrau ihr nicht. Aber verweigere ihr nicht den Gehorsam, oder du landest im Keller. Mach sie nicht wütend.«
Codys Gesicht wurde ernst. »Ich habe erlebt, wie sie die letzten Lebensjahre aus einem Burschen gesaugt hat, der nicht wusste, wann er mit den Beleidigungen aufhören und seine Zunge zügeln musste. Danach war sie jünger, und er war … tot. Normalerweise lässt sie ihren Opfern ein paar letzte Jahre. Sie hat Schuldgefühle genug, um den meisten von uns ein bisschen von ihrem Leben zu lassen. Aber verärgere sie nicht. Sie ist zu Grausamkeiten fähig, die du dir gar nicht vorstellen kannst.«
»Du machst dem Mädchen Angst«, mischte sich Haden ein. »Der beste Tipp ist: Schmeichelei wirkt bei ihr Wunder. Selbst wenn sie genau weiß, dass du dick aufträgst, kann Torina gar nicht anders, als sich von Komplimenten einnehmen zu lassen. Wirklich jämmerlich. So wie ich es sehe, lechzt sie tief im Innern verzweifelt danach, bewundert zu werden, weshalb sie es heiß und innig liebt, Honig um den Mund geschmiert zu bekommen, vor allem, wenn es um ihr Aussehen geht.«
»Jetzt, da sich ihr Alter langsam bemerkbar macht, ist sie in diesem Punkt besonders empfindlich«, pflichtete Cody bei.
Haden schnaubte. »Alt oder jung, du kannst sie immer mit Komplimenten drankriegen. Nicht, dass sie dich deswegen gehen lassen würde oder so. Aber sie wird dir das Leben leichter machen, wenn du ihrer Eitelkeit schmeichelst.«
»Das nur als Rat«, erklärte Cody und unterstrich seine Worte mit einem Zwinkern.
»Jetzt, wo wir uns vorgestellt haben«, verkündete Haden, »sollten wir diese junge Dame besser in Frieden lassen.«
»Du brauchst dich nicht so zu beeilen«, maulte Cody. »Eine letzte Frage: Wie ist sie auf dich aufmerksam geworden? Warum hat Torina dich hierhergebracht?«
»Bedräng sie nicht, uns gleich bei der ersten Begegnung ihr Herz auszuschütten«, knurrte Haden.
Cody bedeutete ihm zu schweigen.
»Ich glaube, der Hauptgrund ist, dass ich über Informationen verfüge, die sie haben will«, antwortete Kendra.
»Du gehörst zu ihrer Welt?«, fragte Cody nach. »Bist nicht irgendein Mädchen von der Straße?«
»Ich weiß, dass mitten unter uns verborgene magische Geschöpfe leben, neben anderen gefährlichen Leuten wie Torina«, bestätigte Kendra.
Haden und Cody nickten schweigend.
»Wir wissen nicht viel über das Übernatürliche«, meinte Cody. »Nur was wir mitbekommen haben, seit wir hier leben.«
»Sei auf der Hut«, riet Haden. »Wir werden versuchen, auf dich aufzupassen, und drehen unsere Hörgeräte laut.«
Cody schob Haden zur Tür hinaus.
»Bis morgen, Kendra«, sagte Cody.
»Gute Nacht, ihr zwei. Tut mir leid, dass ihr hier seid.«
Haden drehte sich in seinem Rollstuhl um. »Danke gleichfalls – nur dass es uns noch mehr leidtut, dass du hier bist.«
KAPITEL 5
Trauer
D er vereiste Schnee glitzerte in der Wintersonne und warf das Licht in funkelnden Mustern zurück, als wäre der