Die Zuflucht der Drachen - Roman
Stan«, krächzte er und reckte den Hals.
»Lieg still«, mahnte Tanu. »Spar dir die Worte für später auf.« Der Samoaner drehte sich zu Opa um. »Er hat Fieber, ist unterernährt und halb verdurstet. Wahrscheinlich hat er Parasiten. Gebrochenes Handgelenk. Verstauchter Knöchel. Leichte Gehirnerschütterung. Schnitte und Prellungen überall. Lasst mir etwas Zeit mit ihm.«
Opa führte die anderen aus dem Raum, und Coulter begleitete sie. Nicht weit entfernt versammelten sie sich auf dem Flur.
»Hat er schon irgendetwas erzählt?«, fragte Opa mit gedämpfter Stimme.
»Er hat das Artefakt nicht, aber die Gesellschaft hat es auch nicht«, antwortete Coulter. Er strich sich mit der Hand über den größtenteils kahlen Schädel und drückte das Büschel grauer Haare in der Mitte glatt. »Er weiß, wo sich das Gewölbe befindet, in dem das Artefakt untergebracht ist. Die Einzelheiten kenne ich noch nicht. Dale und ich wollten, dass er sich erst einmal ausruht.«
»Immer noch keine Hinweise, was den Raum hinter der Halle des Grauens betrifft?«, fragte Opa.
Coulter erschauderte. »Nur eine nackte Mauer. Ich habe beträchtliche Zeit mit Nachforschungen verbracht, auch wenn das da unten nicht gerade mein Lieblingsort ist.«
»Ihr habt den Raum, den Kendra in ihrem Brief erwähnt, noch nicht gefunden?«, fragte Seth. »Ich dachte, als Verwalter wüsstet ihr sicher alles darüber.«
»Dieses Geheimnis wurde nicht weitergegeben«, erklärte Oma.
»Wir sind uns nicht einmal sicher, ob wir die Standorte der Artefakte wirklich in Erfahrung bringen wollen«, erklärte Opa. »Im Moment wollen wir uns nur versichern, dass wir Zugang zu den in dem Raum befindlichen Informationen haben, sollte sich die Notwendigkeit ergeben.«
»Was genau befindet sich in der Halle des Grauens?«, erkundigte sich Seth. »Ihr äußert euch nie besonders konkret darüber.«
»Dort sind gefährliche Kreaturen eingekerkert, die keine Pflege brauchen«, erklärte Coulter. »Sie brauchen nichts zu essen oder zu trinken. Wesen wie der Wiedergänger, dem wir in dem Wäldchen begegnet sind.«
»Strahlen sie Furcht aus?«, fragte Seth.
»Einige von ihnen ja«, antwortete Coulter. »Das macht die Arbeit dort unten ausgesprochen unangenehm. Normalerweise halte ich mich lieber von diesen Zellen fern.«
»Vielleicht könnte ich ja bei der Suche nach dem Raum helfen. Magische Furcht macht mir nichts aus.«
Oma schüttelte den Kopf. »Nein, Seth, in mancher Hinsicht macht das diesen Ort für dich umso gefährlicher. Die Bedrohung, die diese Kreaturen darstellen, ist real. Furcht kann da etwas Gutes sein. Sie sorgt dafür, dass wir den Respekt vor ihrer Macht nicht verlieren. Viele dieser Wesen könnten Fabelheim zerstören, wenn sie freigelassen würden.«
»Ich will sie nicht freilassen! Ich bin doch nicht wahnsinnig.«
»Aber wäre es nicht interessant zu wissen, wie sie aussehen?«, meinte Opa.
»Hast du sie schon gesehen?«, fragte Seth. »Und, was sind das für …? Moment mal, das war eine Fangfrage!«
»Neugierige Katzen verbrennen sich die Tatzen«, erwiderte Opa. »Und wenn ich mich recht erinnere, hat Neugier Fabelheim in der Vergangenheit schon mehrmals beinahe dem Erdboden gleichgemacht.«
»Diesmal würde ich mich strikt an eure Anweisungen halten«, versprach Seth. »Wenn die Vorschrift lautet, nicht hinzuschauen, würde ich nicht einmal daran denken.«
»Wenn wir die Notwendigkeit sehen, uns deine spezielle Immunität zunutze zu machen, werden wir das tun«, erklärte Opa.
»Wenn ihr die Notwendigkeit dazu seht«, murrte Seth. »Ich wette, ihr werdet nicht besonders gründlich suchen. Sagen Sie, Coulter, woher wussten Sie, dass Maddox in der Badewanne ist? Ich meine, er konnte doch nur die Wanne aus eigener Kraft verlassen, in die er selbst hineingestiegen ist. So funktioniert es doch, oder? Um auf unserer Seite wieder rauszukommen, musste ihn jemand aus der Wanne ziehen.«
»Genau richtig«, antwortete Coulter. »Mendigo hat vierundzwanzig Stunden am Tag an der Wanne Wache gehalten. Um die Wahrheit zu sagen, wahrscheinlich hätten wir ihn bald von diesem Posten abgezogen. Nach all den Monaten bestand kaum noch Hoffnung.«
Tanu öffnete die Schlafzimmertür und streckte den Kopf heraus. »Ich habe ihn stabilisiert. Er hat gut auf die Behandlung reagiert. Ich habe ihm geraten zu schlafen, aber Maddox besteht darauf, dass er lieber jetzt mit euch sprechen will. Mit euch allen.«
»Ist er dem denn gewachsen?«, fragte
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