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Die Zuflucht der Drachen - Roman

Die Zuflucht der Drachen - Roman

Titel: Die Zuflucht der Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penhaligon Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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stellte sie ab und berührte nacheinander die anderen Figuren und nannte ihren Namen. »Türme zählen fünf, Springer drei, Läufer ebenfalls drei und Bauern einen Punkt. Das sollte dir helfen abzuwägen, ob sich ein Opfer lohnt.«
    »Was ist mit dem König?«
    »Denk mal nach.«
    »Richtig. Er ist die wichtigste Figur. Man kam ihm eigentlich gar keinen Punktwert zumessen.«
    »Genau. Weiß fängt an, also bist du am Zug.«
    Kendra betrachtete ihre Bauernreihe. Sie konnte eine der acht Figuren entweder ein oder zwei Felder vorwärtsrücken. »Gibt es einen besten Eröffnungszug?«
    »Die ersten Züge beeinflussen entscheidend den späteren Spielverlauf. Probier einfach was aus.«
    Kendra biss sich auf die Unterlippe. »Ist Schach nicht ein Spiel für alte Zausel?«
    Haden zog die Augenbrauen hoch. »Sehe ich für dich etwa aus wie ein junger Mann? Meine Beine tun’s nicht mehr. Das schränkt meine Möglichkeiten ziemlich ein, und dieses Spiel hält immerhin meinen Geist wach. Ich freue mich mächtig über die Chance, einen neuen Gegner auszubilden.«
    Kendra griff nach dem Bauern vor ihrer Königin und zog ihn zwei Felder nach vorn.
    Hadens Tür ging auf, und Cody kam herein. »Wir haben Besuch«, verkündete er.
    »Wer ist es?«, fragte Kendra.
    »Torina ist eine neue Fliege ins Netz gegangen«, antwortete Cody.
    Kendra stand auf. »Noch jemand, den sie aussaugen will!«
    Haden machte den gleichen Zug wie Kendra und verstellte ihrem Bauer dadurch die Bahn. »Du wirst dich daran gewöhnen«, murmelte Haden.
    »Wir müssen ihn warnen«, erklärte Kendra.
    »Das würde wohl nicht allzu gut ankommen«, widersprach Cody. »Wir würden Torina nur reizen und uns allen das Leben schwerer machen, das neue Opfer eingeschlossen.«
    »Habt ihr zwei denn total aufgegeben?«, fragte Kendra anklagend.
    »Wir haben das Unvermeidliche akzeptiert«, erwiderte Haden beschwichtigend. »Setz dich wieder hin.«
    »Nein danke«, sagte Kendra und stürmte aus dem Raum.
    »Ganz schön stur«, hörte sie Cody noch hinter sich murmeln. Sie ging zu schnell, um Hadens Kommentar mitzubekommen.
    Kendra erreichte das Ende des Flurs und ging die Treppe hinunter. Was war das Schlimmste, was passieren konnte? Dass Torina ihr die Jugend aussaugte? Sie tötete? Sie in den Keller sperrte? Kendra ballte die Fäuste. Sie war bereits eine Gefangene. Warum sollte sie so tun, als sei sie ein Gast? Und hier bot sich zumindest die Chance, jemandem zu helfen, und vielleicht würde sie damit auch sich selbst helfen. Wenn sie Möglichkeiten wie diese ungenutzt ließ, würde sie nie von hier wegkommen.
    Kendra betrat den ersten Stock. Ein stämmiger Goblin in einem Anzug versperrte die Treppe nach unten ins Erdgeschoss. Seine straffe, rote Haut spannte sich über vorspringende Wangenknochen und ein ausgeprägtes Kinn. Adern schlängelten sich grotesk an den Seiten seiner gewölbten Stirn hinauf. »Geh wieder nach oben«, knurrte er und bleckte seine krummen Zähne.
    »Ich muss mit Torina reden«, erklärte Kendra. »Es ist ein Notfall.«
    »Keine Spielchen«, brummte der Goblin.
    »Ich bin dir noch nie begegnet«, sagte Kendra. »Ich habe keinen Grund, dir zu gehorchen. Ich muss mit Torina sprechen. Es ist dringend.«
    »Was bringt dich auf die Idee, dass sie dort unten ist? Die Herrin ist beschäftigt. Sie wird später zu dir kommen. Du gehörst nach oben.«
    Kendra versuchte, um ihn herum die Treppe hinunterzusteigen, aber der dicke Goblin packte sie mit einer schwieligen Hand am Arm.
    »Das hier geht dich nichts an«, zischte Kendra. »Ich muss nach unten. Du weißt, dass ich das Haus nicht verlassen kann. Lass mich los, oder der Sphinx macht Hackfleisch aus dir.«
    Sie funkelten einander einen Moment lang an, dann öffnete der Goblin seinen brutalen Griff abrupt und ließ Kendras Arm los. »Ich bin nicht sicher, ob der Sphinx dir gehorchen wird«, meinte er nur kichernd.
    Kendra eilte die Treppe hinunter. Offensichtlich hatte der Goblin so seine Zweifel, aber sie wollte sich nicht damit aufhalten, länger über seine Worte nachzugrübeln. Sie lief durch die Eingangshalle und hielt inne, als sie einen jungen Mann im Salon stehen sah, der dort ein großes Gemälde in einem vergoldeten Rahmen bewunderte. Ein ramponierter Koffer und eine bis zum Platzen gefüllte Reisetasche lehnten nicht weit von ihm entfernt an einem Sofa.
    »Wer sind Sie?«, fragte Kendra von der Tür aus.
    Der junge Mann drehte sich um. Er hatte dunkles Haar, das ihm bis zu den Schultern

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