Die Zuflucht der Drachen - Roman
Labyrinth ist.«
»Was?« Opa wirkte verblüfft. »Woher?«
»Eine Fee hat es mir erzählt. Er liegt unter dem südlichsten der Wächtersteine. So hat die Fee die riesigen Steine am Fuß des Hügels genannt. Zwei Stunden vor Sonnenaufgang tauschen die Steine die Plätze und lassen den Eingang für ungefähr eine Stunde offen.«
»Gut gemacht, Kendra«, lobte Opa. »Bedauerlicherweise weiß ich nicht recht, ob das viel an unserer Situation ändert. Nur wenige Geschöpfe verfügen über noch mehr rohe Urgewalt als Bergtrolle. Keiner von uns kann sich einen Weg durch ein taurisches Labyrinth bahnen. Und selbst wenn die Hindernisse nicht wären, könnte das Horn überhaupt nicht gestohlen werden. Wenn sie es uns nicht geben, können wir es uns nicht nehmen. Oder irre ich mich?«
Alle kauerten sich jetzt dicht zusammen, um das Gespräch zu verfolgen.
»Ich habe keine Ahnung, wie wir uns das Horn ohne Erlaubnis borgen könnten«, meine Tanu.
»Ich auch nicht«, stimmte Dale zu.
»Es ist wohl am besten, wir fangen anderswo mit der Suche an«, schlug Coulter vor. »Irgendwo auf der großen weiten Welt muss es doch noch ein anderes erstes Horn geben.«
»Dazu müssten wir uns ein Wettrennen mit dem Sphinx liefern«, sagte Oma. »Und er hat den Okulus.«
Opa runzelte die Stirn. »Das mag sein. Aber ein Hoffnungsschimmer ist immer noch besser als gar keine Hoffnung.«
KAPITEL 13
Schattenschmeichler
D er Wecker seiner Armbanduhr riss Seth aus dem Schlaf. Er fummelte an den winzigen Knöpfen herum, bis das Piepen aufhörte, dann schaute er, den Kopf auf den Ellbogen gestützt, hinüber zu Kendras Bett. Der Wecker schien sie nicht gestört zu haben. Trotzdem wartete er. Kendra konnte äußerst gerissen sein und schien beinahe einen sechsten Sinn zu besitzen, wenn es darum ging, ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen. Die Minuten verstrichen, und Seth blieb im Bett. So hatte sein Kopf genug Zeit, richtig wach zu werden.
Nachdem die anderen etliche Stunden zuvor von ihrem Besuch bei den Zentauren zurückgekehrt waren, hatten sie Seth und Warren alles berichtet, was sie in Erfahrung gebracht hatten. Sie hatten beschlossen, außerhalb von Fabelheim nach dem ersten Horn eines Einhorns zu suchen, und Seth hatte still und leise begonnen, seine eigenen Pläne zu schmieden.
Er hatte den Nachmittag damit verbracht, über die Stimme nachzudenken, die er während seines Gesprächs mit den Satyren gehört hatte. Zunächst hatte er angenommen, sie würde einem durch den Wald wandernden Geist gehören. Später war ihm dann eine plausiblere Erklärung eingefallen, und er ging nun davon aus, dass es die Stimme des Dämons Graulas gewesen sein musste.
Nach dieser Erkenntnis begann sein Plan klare Gestalt anzunehmen. Bestimmt war Graulas beeindruckt von Seths Rolle beim Sieg über die Schattenplage, genauso wie der Dämon zuvor darüber erstaunt gewesen war, wie er den Wiedergänger bezwungen hatte. Seth war überzeugt, dass der Dämon ihn rief. Und das konnte nur bedeuten, dass Graulas nützliche Informationen hatte. Das eröffnete berauschende Möglichkeiten. Vielleicht konnte Graulas erklären, warum Seth geisterhafte Stimmen hörte. Schließlich waren dunkle Mysterien sein Spezialgebiet. Und hoffentlich konnte er auch Hinweise geben, wie sie vielleicht doch noch an das Horn der Zentauren kommen würden. Möglicherweise war ein Besuch bei dem Dämon alles, was es brauchte, um die Situation zu retten.
Seths Großeltern ermutigten ihn immer, aus seinen Fehlern zu lernen. Und Seth kannte seine Großeltern inzwischen gut genug, um zu wissen, dass sie es ihm niemals erlauben würden, den Dämon zu besuchen. Sie waren gnadenlos überbehütend. Hätte er seinen Plan zur Sprache gebracht, hätten sie alles in ihrer Macht Stehende getan, um ihn aufzuhalten. Also war Seth zu dem Schluss gekommen, ihn lieber für sich zu behalten. Er würde einen Brief unter der Bettdecke hinterlassen, für den Fall, dass etwas schiefging und er nicht mehr zurückkehrte.
Konnte es eine Falle sein? Ja. Aber wenn Graulas ihn töten wollte, hätte er das bei Seths letztem Besuch tun können. Konnte ein Besuch bei Graulas irgendjemanden außer ihn selbst in Gefahr bringen? Nein, Seth wusste nicht, wie das möglich sein sollte. Was war, wenn er sich irrte und Graulas ihn gar nicht zu sich gerufen hatte? Was, wenn die mysteriöse Stimme jemand ganz anderem gehörte? Würde der Dämon ihn umbringen, wenn er ungebeten vorbeischaute? Vielleicht. Aber der
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