Die Zuflucht der Drachen - Roman
meine neuen Fähigkeiten in dem Drachensanktuarium als nützlich erweisen könnten«, sagte Seth.
»Der Ausflug nach Wyrmroost wird wahrscheinlich ein Selbstmordkommando«, meinte Oma düster. »Das ganze Sanktuarium ist eine einzige Todesfalle. Strafe hin oder her, denk daran, dass wir nur eine kleine Gruppe unserer erfahrensten Leute hinschicken können.«
Seth stemmte die Hände in die Hüften. »Ihr könnt mich nicht einfach übergehen.«
»Wer mitkommt oder nicht, ist nicht deine Entscheidung«, betonte Oma entschieden.
»Nicht mitkommen zu müssen ist eher eine Belohnung«, schnaubte Coulter.
»Ja, meinetwegen. Aber lieber gebe ich den Zentauren dieses blöde Horn zurück, als dass ihr ohne mich nach Wyrmroost fahrt«, drohte Seth. »Ihr könnt ja versuchen, mir das Horn abzunehmen!«
»Das wird keine Vergnügungsreise«, brummte Coulter.
»Und es geht auch nicht darum, coole Drachen zu sehen«, knurrte Opa, der sichtlich die Geduld verlor.
»Obwohl sie bestimmt ziemlich cool sind«, murmelte Warren, was ihm einen Rippenstoß von Tanu eintrug.
Tränen traten Seth in die Augen. Er öffnete den Mund, als wollte er noch etwas sagen, dann drehte er sich um und stürmte aus dem Raum.
»Was machen wir bloß mit dem Jungen?«, seufzte Oma.
»Ich weiß es nicht«, gestand Opa. »Hätte er nicht das Horn geholt, würden wir immer noch in der Klemme stecken. Vielleicht ist er der Einzige von uns, der einen klaren Blick dafür hat.«
Oma schüttelte den Kopf. »Mach dir nichts vor, Stan. Sein Hauptinteresse gilt immer noch den Abenteuern. Die Welt zu retten ist da nur ein schöner Nebeneffekt. Für ihn ist das alles immer noch ein Spiel.«
»Patton war genauso«, bemerkte Warren. »Er hat eine Menge Gutes getan, und zum Teil nur deshalb, weil er den Kitzel genossen hat.«
»Ich denke schon, dass er es ernst meint«, meldete sich Kendra zu Wort. »Es geht ihm nicht mehr nur um den Spaß. Ich glaube, er lernt dazu.«
»Er hat heute Nacht eine Menge durchgemacht«, gab Tanu zu bedenken. »Und er hatte nicht viel Schlaf. Seine Gefühle sind durcheinander.«
»Ich könnte zu ihm gehen und mit ihm reden«, bot Kendra an.
»Nein, lass ihn schmollen«, widersprach Oma. »Er ist ein guter Junge. Wenn wir ihn erst einmal alleine lassen, wird er sich beruhigen und sich für seinen Ausbruch schämen.«
»Er hat recht. Wir können ihm das Horn wahrscheinlich gar nicht abnehmen«, stellte Warren fest. »Womöglich sind wir ohne ihn nicht einmal in der Lage, es zu benutzen. Es ist nach wie vor Diebesgut. Vielleicht ist er der Einzige, der gegen die Schuldgefühle gefeit ist.«
»Alles zu seiner Zeit«, entschied Opa. »Wirklich, dieser Junge bringt mich noch ins Grab. Aber lasst mich jetzt erst mal mit Dougan telefonieren. Die Leutnants der Ritter sollten uns helfen können, eine Einsatztruppe zusammenzustellen.«
»Ich geh schon mal das Telefon …«, begann Oma, aber das Schmettern eines Horns übertönte ihre Worte. Es war viel lauter als all die anderen zuvor und schien aus nächster Nähe zu kommen.
Warren stürzte aus dem Raum. »Sie stehen am Gartenrand!«, rief er.
»Ich übernehme das«, entschied Opa. »Ich hoffe, Seth hat recht und sie haben keine Beweise.«
»Lass mich mitkommen«, schlug Kendra vor. »Dann wirkt es noch unschuldiger, als wären wir vollkommen überrascht.«
Opa schien ihr widersprechen zu wollen, dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. »Warum nicht? Du hast recht, wir wollen nicht im Mindesten so wirken, als müssten wir uns wegen irgendetwas rechtfertigen. Wir sollten so tun, als wären wir ganz perplex über ihr Erscheinen. Aber überlass das Reden mir.«
Dale kam mit verschlafenen Augen und in seinem Nachtzeug die Treppe heruntergestolpert. »Was ist das für ein Lärm?«
»Hallo Dale«, sagte Oma. »Geh auf die Veranda und sieh dir an, wie Stan mit den Zentauren spricht. Wir haben keine Ahnung, warum sie gekommen sind.«
Opa begleitete Kendra nach draußen. Sie gingen über den Rasen zu Wolkenschwinge, der mit einem hochgewachsenen Zentaur mit hellblauem Fell bereits auf sie wartete.
»Sei mir gegrüßt, Wolkenschwinge«, sagte Opa, als sie näher kamen. »Ich habe nicht erwartet, dich so bald wiederzusehen.«
»Versuch nicht, höflich zu sein«, knurrte der blaue Zentaur. »Gib die Seele zurück.«
»Jetzt mal immer mit der Ruhe«, antwortete Opa in schon weniger freundlichem Tonfall. »Wovon redest du da? Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns schon einmal begegnet
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