Die Zuflucht
Ich kann dich beruhigen. Wir haben hier genau das Richtige gefunden, und ich werde dir ewig dankbar sein, weil du mich aus den Ruinen und vor allem aus den Klauen der Wölfe befreit hast.«
Ich hatte sie schon immer danach fragen wollen, also ergriff ich die Gelegenheit. » Haben die Wölfe alle ihre Frauen so schlecht behandelt?«
Gut möglich, dass sie dumm und verwildert genug waren, um nicht zu wissen, dass sie mit jedem Schlag auch den ungeborenen Balg im Bauch einer Zeugerin verletzten. Nur weil wir in College das begriffen hatten, musste für die Banden noch lange nicht dasselbe gelten.
Tegans Atem stockte, und ihre Augen verfinsterten sich wieder. » Die Mädchen, die schon bei ihnen zur Welt gekommen waren, sträubten sich nicht gegen ihre Rolle. Sie versuchten nicht wegzulaufen, also wurden sie auch nicht bestraft.«
Ich nickte. » In der Enklave hätte eine Zeugerin sich ihrer Aufgabe auch nicht widersetzt.«
» Sie verfolgen mich in meinen Träumen«, sagte Tegan leise. » Die beiden Welpen, die ich verloren habe. Ich wollte jedes Mal nur weg, wollte sie beschützen und aufziehen, wie meine Mutter es getan hatte. Stattdessen haben sie mich erwischt und so lange geschlagen, bisâ¦Â« Ihre Stimme versagte, und Tegan ballte die Hände zu Fäusten. » Ich weiÃ, warum sie es getan haben: Sie wollten mich brechen, damit ich mich nicht mehr wehre.«
» Sie hätten dich nicht schlagen sollen«, erwiderte ich. » Es hätte andere Möglichkeiten gegeben, dich festzuhalten, ohne die ungeborenen Bälger zu gefährden.«
Tegan wischte sich eine Träne von der Wange. » Du meinst, bei euch hätten sie mir nichts getan?«
Sie wollte hören, dass ich aus einer besseren Welt kam als Pirscher. Als ich Tegan traf, war ich absolut sicher, in College würde jeder hart bestraft, der einer Frau so etwas antat. Aber das war ein purer Reflex gewesen. Ich wollte nur das Beste von meiner Enklave denken, doch mit etwas Abstand war mir klar geworden: Sicher waren nur die gewesen, die in College geboren waren und sich blind an die Regeln hielten. Ich musste an das Schicksal von Bleich und der Schafferin namens Banner denken. Anfangs war ich eifersüchtig auf sie gewesen, weil sie Bleich so nahestand, doch dann hatten die Ãltesten sie umbringen lassen, weil Banner im Geheimen mit ihrem Führungsstil nicht einverstanden war. Sie stellten es als Selbstmord hin, aber alle ahnten den wahren Grund für ihren Tod und wussten, was sie erwartete, wenn sie sich gegen die Ãltesten auflehnten. Auch Unten passierten schreckliche Dinge.
Ich konnte Tegan nicht belügen. » Wenn wir in den Tunneln eine Frau aufgegriffen hätten, die nur als Zeugerin zu gebrauchen war, sich aber geweigert hätte, ihre Rolle zu erfüllen, hätten die Ãltesten sie töten und den Freaks zum Fraà vorwerfen lassen. Sie hätten keine Energie darauf verschwendet, sie durchzufüttern. Du hast recht: Wir hätten dich nicht geschlagen. In College hätten sie dich getötet.«
Tegan schnappte nach Luft. » Nur gut, dass ich nicht Unten gelandet bin.«
» Stimmt.« In den Tunneln hätte sie nicht einmal lange genug überlebt, um von einer unserer Patrouillen aufgegriffen zu werden. Ich fragte mich immer noch, wie Bleich es geschafft hatte.
Tegan hielt sich an der Arbeitsplatte fest, und die gesäuberten Instrumente blitzten kalt im Licht. » Aber⦠dann bist du nicht wie die anderen Jägerinnen. Du hast mich beschützt.«
» Das war, nachdem ich College verlassen hatte.«
» Willst du damit sagen, dass du mich auch getötet hättest? Du , Zwei.«
Tegans braune Augen flehten mich an, ich möge ihr widersprechen, aber ich musste sie enttäuschen. » Wenn sie es mir befohlen hätten, ja. Ich hätte es nicht gern getan, aber ich hätte dich umgebracht. Damals dachte ich noch, die Ãltesten wären schlauer als ich. Bis zu einem bestimmten Alter weià man nur so viel, wie andere einem beibringen.«
Mit einem Stich im Herzen dachte ich an den blinden Balg, den Bleich und ich in den Tunneln gefunden hatten. Er kam aus Nassau und bat uns um Hilfe. Wir brachten ihn nach College, aber nachdem die Ãltesten ihn angehört hatten, hatten sie keine Verwendung mehr für ihn. Ich habe die Klinge nicht geführt, die ihm die Kehle aufschlitzte, aber ich habe ihn dem Jäger übergeben, der
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