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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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es tat. Durch mein Schweigen war ich mit schuld an seinem Tod, und ich konnte nicht zulassen, dass Tegan mich für eine Heilige hielt. Seit ich Oben war, wusste ich einiges mehr, aber deshalb war ich noch lange kein besserer Mensch oder von Natur aus gut. In Wahrheit hatte ich Jahre damit verbracht, mich hart zu machen für meine Aufgabe als Jägerin, und nicht selten sah ich Mitleid als eine Schwäche.
    Â» Ist das der Grund, warum du dich mit Pirscher so gut verstehst?« Tegan schnitt eine Grimasse, als würde ihr allein bei der Vorstellung übel.
    Ich zuckte die Achseln. » Ich verstehe ihn. Wir haben die gleichen Ziele.«
    Â» Er ist wie du.«
    Â» Ähnlicher jedenfalls, als du mir bist. Pirscher und ich sind mit anderen Vorstellungen von Richtig oder Falsch aufgewachsen. Ganz anders als die Regeln, die hier in Erlösung gelten… In der Enklave ist vieles passiert, das ich rückgängig machen würde, wenn ich könnte. Damals wusste ich es nicht besser… aber ich bin bereit zu lernen. Und ich glaube, Pirscher ist es auch.«
    Â» Du wirst verstehen, wenn ich nicht gerade scharf auf seine Freundschaft bin«, murmelte sie.
    Â» Natürlich. Ihr beiden habt eine gemeinsame… eine schlimme Geschichte. Er erinnert dich an die schlimmste Zeit deines Lebens.«
    Â» Und du auch«, erwiderte Tegan leise.
    Oh . Damit hatte ich nicht gerechnet. Und gerade deshalb tat es so verdammt weh. » Das tut mir leid. Ich wusste es nicht. Ist das der Grund, warum…«
    Â» Es ist leichter für mich, mich mit den anderen Mädchen abzugeben. Sie haben mich nicht gesehen, wie du mich gesehen hast, so schwach. Sie wissen nicht, was mir passiert ist, und ich würde es selbst am liebsten vergessen. Ich hoffe, du hast ihnen nichts davon erzählt.«
    Â» Natürlich nicht. Und ich werde auch nicht wieder herkommen, wenn du es nicht willst.« Ich setzte mein Jägerinnengesicht auf, unbeirrbar und undurchdringlich.
    In Erlösung hatte ich niemanden außer Pirscher und Draufgänger. Bleich sprach nur mit mir, wenn er mich beschützen musste. Die Bälger in der Schule hielten mich für verrückt und behandelten mich auch so. Und jetzt auch noch das. Aber zumindest war ich in Sicherheit; zumindest hatte ich genug zu essen.
    Â» Ich brauche ein bisschen Zeit. Ich bin dir dankbar für alles, was du für mich getan hast, ich möchte nur…«
    Â» Dazugehören?«, beendete ich ihren Satz, ohne meinen Schmerz zu zeigen. » Neue Freunde finden?«
    Sie nickte sichtlich erleichtert. » Ich bin froh, dass du mich verstehst.«
    Â» Das tue ich. Ich werde dann mal gehen.« Ich hatte nicht vor zurückzukommen, außer auf Tegans ausdrücklichen Wunsch. Nicht aus verletztem Stolz, sondern weil einer wahren Freundin Tegans Wohlergehen wichtiger war als ihre eigene Einsamkeit.
    Tegan hielt mich nicht zurück, als ich das Haus verließ. Die Sonne bewegte sich allmählich auf den Horizont zu, und der Himmel hatte sich verändert. Er leuchtete in Farbtönen, deren Namen ich erst seit Kurzem kannte. Heute waren es Gold, Orange und ein paar purpurne Streifen. Der Himmel sah aus wie einer der gefleckten Äpfel, die wir auf unserem Marsch hierher gefunden hatten– schon ein bisschen runzlig, aber immer noch essbar. Ein kühler Wind blies mir ins Gesicht und wirbelte ein paar Strähnen aus meinen Zöpfen auf. Es war bald Zeit fürs Abendessen, und ich hatte mich noch gar nicht um meine Hausaufgaben gekümmert.
    Auf dem Weg zurück durch die Stadt ignorierte ich das Getuschel der anderen. Ein paar Frauen deuteten auf mich, weil ich beim Laufen meinen Rock immer ein Stück anhob. » Kann die nicht gehen wie jeder andere auch? Ich verstehe nicht, was sie sich dabei gedacht haben, das Mädchen hier aufzunehmen.«
    Ich blendete die Kommentare aus wie immer, auch wenn sie wehtaten. Jedes einzelne Wort traf mich wie ein Stein zwischen den Schulterblättern. Als ich das Haus von Oma Oaks betrat, sagte sie, ich würde mich noch erkälten, wenn ich nicht vorsichtiger war, und bat mich, den Tisch zu decken. Ich gehorchte ohne Murren. Ich fand es faszinierend, wie viele Werkzeuge die Leute hier oben zum Essen benutzten. Unten hatten wir so wenig davon, dass wir alles, was wir in die Finger bekamen, so schnell in uns hineinschaufelten, wie wir nur konnten. Im Gegensatz zu so manchem hier in Erlösung wog niemand

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