Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
Vom Netzwerk:
versuchte, nicht daran zu denken, wie schön es war, wenn er die Arme um mich schlang, oder wie ich mit der gleichen Verzückung in seinen Küssen versunken war wie in meinem ersten heißen Bad. Anfangs war ich noch zurückhaltend gewesen, aber Bleich zeigte mir behutsam und geduldig, dass es noch andere Formen des Körperkontakts gab als Faustschläge und Tritte. Und jetzt vermisste ich seine Lippen auf den meinen.
    Â» Was machst du da gerade?« Bescheuerte Frage .
    Â» Ich striegle dieses Prachtstück.«
    Ich reimte mir zusammen, dass er damit wohl das Bürsten meinte. Oma Oaks hatte das Wort nie erwähnt, also galt es wohl nur für Tiere. Manchmal hatte ich das Gefühl, all die Dinge, die für andere selbstverständlich waren, würden für mich ewig ein Geheimnis bleiben. Selbst Pirscher, der kein bisschen besser nach Erlösung passte als ich, erfasste die Dinge mit einer Art natürlichem Instinkt.
    Â» Wir werden Draufgänger wegen der Sommerpatrouillen ansprechen«, sagte ich.
    Bleich zog eine Augenbraue hoch. » Wer ist wir?«
    Â» Pirscher und ich. Und du auch, wenn du willst.«
    Â» Hast du nicht schon genug gekämpft in deinem Leben?« Er sagte das, als wäre irgendetwas mit mir verkehrt, als müsste ich eigentlich glücklich sein, nichts anderes mehr zu tun zu haben, als zur Schule zu gehen und mit Oma Oaks Kleider zu flicken.
    Â» Es ist das, was ich gelernt habe. Worin ich am besten bin.« Ich streckte das Kinn vor, war fest entschlossen, mich nicht verunsichern zu lassen, selbst wenn Bleich enttäuscht sein sollte.
    Seine nächsten Worte gaben mir Hoffnung. » Du bist immer noch meine Partnerin. Ich lass dich nicht ohne jemanden auf Patrouille gehen, dem du vertrauen kannst.«
    Ich vertraute ihm, ganz egal was für Probleme wir im Moment miteinander haben mochten. Innerlich begann ich schon wieder zu schmelzen. » Dann komm mit.«
    Â» Lass mich nur noch kurz Mr. Jensen Bescheid sagen.« Bleich verließ den Stall, und ich hörte, wie sie miteinander stritten. Aber der Streit dauerte nicht lange.
    Â» Magst du ihn?«, fragte ich ein paar Minuten später, als wir nebeneinander hergingen.
    Er schüttelte kaum merklich den Kopf. » Nicht direkt. Aber wenigstens versucht er nicht, so zu tun, als wäre er mein Dad.«
    Ganz im Gegensatz zu Oma Oaks, die mich unbedingt bemuttern will.
    Bleich protestierte nicht, als ich zum Haus des Schmieds abbog, um Pirscher abzuholen. Keiner der beiden schlug vor, auch Tegan zu fragen. Sie war keine Kämpferin und würde auch nie eine werden. Die Vorstellung, sie könnte sich uns auf den Sommerpatrouillen anschließen wollen, war absolut lächerlich. Trotzdem vermisste ich sie. Tegan verbrachte ihre Zeit lieber mit » normalen« Mädchen, wollte vergessen, was sie durchgemacht hatte, aber für mich war sie die einzige Freundin. Und manchmal bedeutete Freundschaft, verletzt zu werden. Wenn der andere auf Distanz geht, zum Beispiel, einfach weil es ihm guttut.
    Die Stadt war dreimal wiederaufgebaut worden. Das war eines der wenigen Dinge, an die ich mich aus dem Geschichtsunterricht erinnern konnte. In der Nähe hatte ein Krieg stattgefunden, und das Fort war zerstört worden. Vor ungefähr zweihundert Jahren errichteten sie es dann neu, so wie es zuvor gewesen war. Ich verstand nicht ganz, weshalb, aber Mrs. James sagte, es hätte mit » unserem kulturellen Erbe« zu tun. Da ich aber von den Menschen abstammte, die die Welt vergessen hatte, vermutete ich, dass dieses Erbe nichts mit mir zu tun hatte.
    Schweigend gingen wir durch die Stadt. Nur dann und wann winkten wir ein paar bekannten Gesichtern zu. Die Gespräche der Frauen verstummten, wenn sie mich kommen sahen, und sie musterten mich, suchten nach einem neuerlichen Vergehen, das sie weitertratschen konnten. Die weiß getünchten Häuser wirkten so sauber und gepflegt im Vergleich zu den Ruinen, die wir auf dem Weg hierher gesehen hatten. Wie der Tauschhandel in Erlösung funktionierte, verstand ich immer noch nicht. Die Bürger hatten kleine Holzscheiben, die irgendwie mit dem Wert der Waren verrechnet wurden. Wir drei besaßen jedoch keine, was bedeutete, dass wir voll und ganz auf unsere Pflegeeltern angewiesen waren. Ich hasste das.
    Alleinstehende Männer, die kein eigenes Zuhause hatten, schliefen in den Baracken an der Westseite der Holzmauer. Von dort konnten sofort

Weitere Kostenlose Bücher