Die Zuflucht
weitere Wachen auf die Brüstung geschickt werden, falls nötig, aber dieser Fall war noch nie eingetreten, seitdem wir hier waren. Die Anzahl der angreifenden Freaks hielt sich auch so in Grenzen, und das hätte mich eigentlich beruhigen müssen. Aber anscheinend gehörte ich zu den Menschen, die erst dann zufrieden waren, wenn alles um sie herum schiefging. Was auch immer der Grund war, ich wurde dieses mulmige Gefühl nicht los. Die Freaks hatten sich verändert, und irgendwann würde Erlösung diese Veränderungen zu spüren bekommen. Es war nur eine Frage der Zeit.
Pirscher und Bleich sprachen kein Wort miteinander, aber das überraschte mich nicht. Sie hegten eine tief verwurzelte Abneigung gegeneinander, schienen aber beide fest entschlossen, während des Sommers an meiner Seite zu kämpfen. In meinem Herzen spürte ich, dass ich nur einen Partner haben konnte, aber ich verstand den Grund nicht. Warum konnten sie nicht beide meine Freunde sein? In meinen Augen hatten sie beide ihre Qualitäten, sie kämpften unterschiedlich und ergänzten einander.
Es geht nicht ums Kämpfen , sagte eine leise Stimme in mir. Aber leider verstummte sie genauso schnell wieder, wie sie gekommen war, und ich war genauso schlau wie zuvor.
Wir fanden Draufgänger in den Baracken, wo er mit anderen Männern beim Kartenspielen saÃ. Er hatte die Ãrmel hochgekrempelt, und ich sah seine sehnigen und von der Sonne gebräunten Unterarme. Sein Alter war immer noch wie ein Wunder für mich. Mit gutem Essen und viel frischer Luft würde ich vielleicht genauso alt werden, auÃer die Freaks erwischten mich. Wenn ich den Gedanken zu Ende dachte, verstand ich selbst nicht mehr so recht, warum ich unbedingt an den Patrouillen teilnehmen wollte. Vielleicht lag es einfach daran, dass ich dazu erzogen worden war, andere zu beschützen. Wenn ich das nicht tun konnte, fühlte ich mich irgendwie halb. Ich hatte das Leben in der Enklave hinter mir gelassen, aber das Bedürfnis zu kämpfen war lebendig wie eh und je.
» Die Kinder«, sagte Draufgänger mit einem Nicken.
So nannten sie hier in Erlösung ihre Bälger. Auch für die Jungen der Tiere, denen sie die Milch abnahmen, verwendeten sie dieses Wort. Für mich war das wie eine Beleidigungâ viel schlimmer als das Wort Balg. Gleichzeitig waren sie jedes Mal schockiert, wenn ich Bürger von Erlösung » Züchter« nannte, sobald sie Junge bekamen. Es war alles so anders hier.
» Ich habe gehört, es werden Freiwillige für die Patrouillen gebraucht.«
Draufgänger zog erstaunt die buschigen Augenbrauen hoch, als hätte ich ihn nicht schon vor zwei Wochen vorgewarnt. Er spielte seine Rolle gut. » Tatsächlich?«
» Die Saat wird bald ausgebracht«, fiel Pirscher mit ein. » Ihr werdet Leute brauchen, die die Feldarbeiter beschützen.«
» Und danach die Felder selbst«, fügte ich hinzu.
Draufgänger neigte den Kopf. » Das weià ich.«
» Wir wollen dabei sein«, erklärte Bleich.
» Alle drei?« Draufgänger musterte mein langes wallendes Kleid. » Kannst du schieÃen?«
Ich schüttelte den Kopf. » Bei den Feldern gibt es keine Mauern wie hier. Es wäre besser, wenn du Leute mitnimmst, die mit bloÃer Hand kämpfen können.«
» Und das kannst du?« Seine Stimme klang leicht amüsiert.
Wäre ich nicht vorbereitet gewesen, hätte ich ihm das übel genommen. Aber er musste so zögerlich tun, und ich wusste nur zu gut, wie ich mit den von Oma Oaks geflochtenen Zöpfen und dem Kleid aussah, das meine Jägerinnenmale vor den Augen der braven Bürger verbarg. Ich lieà den Blick durch die Baracke schweifen und sah die anderen Wachen, die uns belustigt und ungeduldig zugleich musterten. Worte allein würden hier nicht genügen.
Ich deutete auf einen, der einigermaÃen fähig aussah. » Ich kann es beweisen. Gehen wir nach drauÃen. Wenn ich ihn nicht zu Boden bringe, ziehe ich mein Ersuchen zurück.«
Es gab einen Grund, weshalb ausgerechnet ich die Herausforderung aussprach: Die Wachen hielten mich für das schwächste Glied in der Kette. Pirscher und Bleich würden sie wahrscheinlich auch so mitnehmen, aber ich musste mich erst bewähren, damit sie mich ernst nahmen.
Der Kerl, auf den ich gedeutet hatte, lachte ungläubig. » Ich schlage keine Mädchen.«
» Da hab
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