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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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war– oder was immer die Freaks zu dem gemacht hatte, was sie waren.
    Ich wusch mir die Hände in Seifenwasser und befeuchtete ein Handtuch. Bleich vertraute mir, und ich wollte ihm auf keinen Fall wehtun. Ich wünschte nur, er hätte mir früher davon erzählt. Andererseits, wann hätte er es tun sollen? Wir hatten so lange kein Wort mehr miteinander gesprochen. Tegan hätte ihm helfen können, selbst Pirscher. Bleich hatte keinen Grund, Jensens Misshandlungen einfach so hinzunehmen.
    So vorsichtig es ging, wusch ich seinen Rücken und hörte jedes Mal auf, wenn er vor Schmerz das Gesicht verzerrte. Mit gebeugtem Haupt saß er da und hielt so fest die Tischkante umklammert, dass seine Fingerknöchel weiß wurden. Sein ganzer Körper bebte, ob vor Schmerz oder Schmach, konnte ich nicht sagen, und ich fragte mich, was wohl gerade in ihm vorging.
    Â» Du hast es gleich hinter dir«, flüsterte ich und verteilte behutsam etwas Salbe auf den Striemen. Mit so wenig Druck wie möglich rieb ich sie in die offenen Stellen und auf jeden Bluterguss. Als ich damit fertig war, wäre ich am liebsten sofort zu Arlo Jensen hinübergelaufen und hätte ihn mit meinen Messern zu Freak-Köder verarbeitet. Schon die bloße Vorstellung war eine Erleichterung. Aber wenigstens schien sich keine der Wunden entzündet zu haben, und sie hatten sich alle vollständig mit Schorf geschlossen, also konnte ich auf einen Verband verzichten.
    Â» Fertig?« Noch bevor ich antworten konnte, stand er auf und streifte sich das Hemd über. Er vermied jeden Blickkontakt, als hätte ich ihn verraten.
    Â» Bist du wütend auf mich?«
    Â» Nicht auf dich.«
    Ich glaubte ihm nicht. » Wenn ich es ihr nicht gesagt hätte…«
    Â» Es ist alles in Ordnung«, brummte er.
    Â» Ist es nicht. Was denkst du gerade?«
    Â» Wahrscheinlich bin ich selber schuld«, schimpfte er. » Tegan wird gut behandelt und du auch. Sogar Pirscher scheint ohne Probleme mit seinem Pflegevater auszukommen. Aber ich… ich war hochmütig und wütend, weil…« Er fuchtelte mit der Hand.
    Wegen uns. Wegen mir .
    Â» Wahrscheinlich ist er nicht ganz ohne Grund gewalttätig geworden.«
    Ich schüttelte den Kopf. » Ganz egal, was du zu ihm gesagt hast und wie du es gesagt hast, er hätte das nicht tun dürfen. Es ist seine Schuld, nicht deine. Verstehst du? Es ist nicht deine Schuld.«
    Bleich war mein Partner , und er verbarg so vieles vor mir. Ich machte einen Schritt auf ihn zu, und er tat das Gleiche, und plötzlich lagen wir uns in den Armen. Ich war die Einzige, deren Berührung er ertragen konnte, also hielt ich ihn fest, so sanft ich konnte, denn wenn er Schmerzen hatte, würde er es mir nicht zeigen. Er hatte schon so vieles erdulden müssen, hatte so viele Narben, und jetzt waren es noch mehr.
    Bleich senkte den Kopf und legte das Kinn auf meine Schulter. So standen wir reglos da, bis ich Oma Oaks aus dem Wohnzimmer kommen hörte. Die Eingangstür fiel ins Schloss. Edmund war zurück, und Bleich machte sich los.
    Ich ließ meine Finger in seine Hand gleiten und zog ihn hinüber zum Esstisch.
    Â» Die Sache ist bereinigt«, verkündete Edmund zufrieden.
    Â» Was ist passiert?«, fragte Oma Oaks.
    Â» Ich habe die Angelegenheit Elder Bigwater vorgetragen. Du weißt, wie sehr er Kindesmisshandlung hasst. Jensen bekommt zehn Peitschenhiebe und einen Tag Pranger.« Er wandte sich an Bleich. » Nicht dass es eine Rolle spielt, aber er hängt wieder an der Flasche. Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir dich nie zu ihm gehen lassen.«
    Â» Er hängt an der Flasche?«, fragte ich.
    Â» Er hat schon früher einmal zu viel Schnaps getrunken«, erläuterte meine Pflegemutter. » Und jetzt tut er es wieder. Er ist ein gemeiner Trunkenbold. Es tut mir so leid… Selbstverständlich kannst du hierbleiben. Und wenn euer Auftrag erledigt ist, natürlich auch.« Sie sagte es, als wollte sie sich selbst Mut machen, dass wir wohlbehalten zurückkommen würden.
    Â» Er kann mein Zimmer haben«, fügte ich hinzu.
    Wir ließen Bleich mit Edmund allein und machten uns daran, meine Bauchwunde zu versorgen. Das Pochen hatte aufgehört. Der Schnitt tat nur noch weh, wenn ich den Oberkörper verdrehte. Oma Oaks wimmerte wie ein Kind, als sie den roten Strich sah.
    Â» Ich werde nie verstehen, warum du dir das

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