Die Zuflucht
tun?«
» Ich möchte mit Rex sprechen.«
» Und wie ist dein Name?«
» Zwei.« Ich blickte ihr so lange in die Augen, bis sie wegschaute.
Sie trat einen Schritt zurück und bat uns herein. » Wenn ihr bitte im Wohnzimmer warten würdet? Er arbeitet gerade im Garten.«
» Das ist sehr freundlich von Ihnen, Maâam«, warf Bleich leise ein.
Wir setzten uns, und sie ging ihren Mann holen. Das Zimmer war einfach, aber gemütlich eingerichtet.
SchlieÃlich kam Rex herein. Er war etwas grobschlächtig und ein ganzes Stück gröÃer als Edmund, aber im Gesicht konnte man die Ãhnlichkeit sehen. Er lieà sich auf einen Holzstuhl fallen und starrte mich mit gerunzelter Stirn an. » Kennen wir uns?«
» Nein«, erwiderte ich ohne Umschweife. » Aber wir würden uns kennen, wenn Sie jemals Ihre Eltern besuchen würden. Ich bin Ihre Ziehschwester.«
Seine Mundwinkel zuckten. » Wie bitte?«
» Ich habe keine Ahnung, worüber Sie sich zerstritten haben, und es ist mir auch egal. Ich weià nur, dass Ihre Eltern unter der Situation leiden⦠und wenn Sie ein Mann wären, würden Sie Frieden mit ihnen schlieÃen, bevor es zu spät ist.«
» Du weiÃt gar nichts, Mädchen«, blaffte er, aber ich lieà mich nicht beirren.
» Sie sollten sich glücklich schätzen, dass Ihre Eltern Sie lieben. VerstoÃen Sie sie nicht. Hören Sie auf, ihnen das Herz zu brechen.« Noch bevor er auf die Idee kommen konnte, uns hinauszuwerfen, stand ich auf. » Vielen Dank, dass Sie mir Ihre Zeit gewidmet haben, Sir«, sagte ich und ging zur Tür, ohne auf seine Reaktion zu warten.
Als wir drauÃen waren, musste Bleich lachen. » Hast du sein Gesicht gesehen, Zwei? Ich hoffe, du weiÃt, was du tust.«
» Ich auch«, murmelte ich.
SOMMER
Der Regen begann, kurz bevor unser Erholungsurlaub endete. Er weckte in mir die Hoffnung, dass das Feuer, das die Freaks gestohlen hatten, in den Fluten ersticken würde, aber darüber wollte ich mir nicht länger den Kopf zerbrechen, während ich meine Hose, das Hemd und die Stiefel anzog, die Edmund für mich gemacht hatte. Ich flocht mir das Haar zu zwei Zöpfen und band sie mit dem gekauften Zwirn zusammen.
Es war ein guter Tag gewesen. Rex hatte zwar immer noch nichts von sich hören lassen, aber ich hatte damit gerechnet, dass es eine Weile dauern würde. Edmund war zum Mittagessen gekommen, und wir spielten eine Partie Schach. Ich war immer noch nicht besonders gut, und er schlug mich ohne Probleme. Erst danach fiel mir ein, dass ich immer noch die Halskette trug, die Oma Oaks mir geliehen hatte. Also ging ich hinüber in die Küche und gab sie ihr zurück. Im Gegenzug überreichte sie mir ein kleines Päckchen.
» Pass auf dich auf«, flüsterte sie und schloss mich in die Arme.
Ich hatte zwar beschlossen, nicht neugierig zu sein, aber ich musste es einfach wissen, bevor ich wieder ging. » Was ist mit deinem älteren Sohn passiert?«
Ihre Augen blickten weit zurück in die Vergangenheit, und ihr faltiges Gesicht wurde starr, aber sie wich der Frage nicht aus. Stattdessen nahm sie meine Hand und führte mich zum Sofa im Wohnzimmer. Ich hörte Edmund und Bleich oben umherlaufen und hoffte, sie wären eine Zeit lang beschäftigt, damit wir eine Weile ungestört blieben.
» Er schloss sich der Stadtwache an«, erklärte sie. » Und ich war stolz auf ihn.«
Es musste hart für sie gewesen sein, als ich mehr oder weniger in seine FuÃstapfen trat. Andererseits konnte Wachehalten auf der Stadtmauer nicht allzu gefährlich gewesen sein. Es musste noch etwas anderes passiert sein.
» Daniel war ein guter Junge.« Ihre Stimme stockte, als hätte sie Schmerzen im Hals, wenn sie seinen Namen aussprach. Ich wollte schon sagen, sie müsse es nicht erzählen, aber sie sprach bereits weiter. » Eines Sommers vor ein paar Jahren stahl sich ein Mädchen zusammen mit den Pflanzern nach drauÃen zu den Feldern. Sie war ein neugieriges, lebendiges Kind, immer voller Fragen über die Welt jenseits von Erlösung. Es wurde dunkel, bis jemand merkte, dass sie nicht mehr da war.«
» Hat Daniel den Suchtrupp angeführt?«
Ihre Lippen wurden hart. » Er ist als Einziger gegangen. Ihr Vater weigerte sich wegen der Stummies. Ihre Eltern schrieben sie einfach ab und beweinten ihren Tod. Sie wollten
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