Die Zukunft des Mars (German Edition)
mehr verhindern konnte. Ob ich denn wisse, dass auch Steine schmelzen können? Es gebe sogar ein Wort dafür. Gleich komme es ihr wieder in den Sinn. Den armen Amerikanern war an einem Sonntag oder an einem Feiertag – vielleicht an Ostern, bestimmt an Ostern! – ihr Picknick-Berg, wie sie es lang schon hatten kommen sehen, explodiert. Der glühend heiße Gelbsteinbrei spritzte durch die Wolken, bis zur Sonne und dann bei Nacht noch weiter, nämlich bis zum Mond und zu den Sternlein, den Kindern des Monds, hinauf. Die schönen alten Bäume um den Berg herum verbrannten und zündeten als große Fackeln auch den Rest Amerikas, sämtliche Häuser, alle Autos, die Picknickdecken, die Picknickteller aus Karton, die Amerikaner selber und auch die Kinder in ihren Badehosen an.
Ist das nicht schlimm? Sei so etwas bei ihnen auch schon mal passiert? Hoch oben, im eisig kalten Sternenhimmel ist die Lava – jetzt wisse sie das Wort auf einmal wieder – dann wieder hart gefroren und als ein Hagel gelber Steine auf Amerika geprasselt. Nein, nicht geprasselt, sondern nur gefallen, weich hingeplumpst, weil unten schon alles voller Asche war. In dieser Asche steckten bis heute die Knochen der früheren Amerikaner, der Elefanten, der Nashörner, der Nilpferde, der Waschbären und der verbrannten Kinder. Nur die ganz kleinen Krabbeltiere, die Ameisen, die Kellerasseln, die Spinnen und die Tausendfüßler konnten in ihren Löchern überleben.
Am wichtigsten ist dann das Gras gewesen. Elussa sagt: Das Gras wächst immer nach. Genauso sei es auch in Amerika gekommen. Die Grashalme haben sich langsam durch die Asche ans Licht hinaufgebohrt. Und hierzu hat es unentwegt geregnet. Ein ganzes Jahr lang! Und dieses Regenwasserund die kalte, in den Boden hineingeschwemmte Asche kamen den Graswurzeln und den Wurzeln der anderen Pflanzen gerade recht. Nun, wo ihr Onkel in Amerika eingetroffen sei, gebe es dort schon wieder rote Äpfel und dicke Birnen und zuckersüße Mohrrüben zu ernten und zu essen.
Neunmalneun
A lide weint und weint und will sich nicht beruhigen. Eben schluchzte sie so laut auf, dass Twitwi und die Gehilfen hochschraken und die Gesichter Richtung Platte wandten. Twitwi fasst mich noch immer streng ins Auge, als könnte ich schuld sein an Alides Tränen, als hielte sie für möglich, ich hätte unsere kostbare Kleine mit Worten beleidigt oder gar mit einer Tat verletzt. Ich schüttle bloß den Kopf, weise mit beiden Händen auf das Buch, und schon sind die anderen bei uns auf der Warmsteinplatte. Spispi und Hoho krabbeln zu Alide, fassen ihr an die Schultern und die Ellenbogen, begucken sie rundum, als müsste sich der Grund für ihr Klagen an ihren Gliedern finden lassen. Twitwi denkt anders. Die kleine Twitwi bleibt sich treu und wendet sich dem Ding zu, weil sie, die Leiterin der Werkstatt für unsichtbare Kräfte, darauf vertraut, dass ihr die bloße Sache etwas sagen will und wird.
Dem Seligen Tausch gehorchend, hatte ich Alide vom Gerechten Untergang berichten wollen. Aber als ich zu erzählen anhob, noch während ich den Kugelturm und seine Braunsteinquader in einem ersten Satz beschrieb, schlug sie einfach, bevor ich jenen Mann, das Kind mit beiden Armen an die Brust gepresst, vor einer Wand aus Feuer fliehen lassen konnte, das schwarze Buch auf. Mit beiden Händen riss sie die Kante des Deckels empor, ließ ihn aus der Senkrechtenach links, auf die im Mondlicht grau gewordene Warmsteinplatte klatschen. Offenbar wollte das kleine Mädchen nicht hören, was in unserer Welt als Ende und zugleich als Anfang gilt.
Dann wäre es an mir gewesen. Nicht sie, ich hätte angesichts des Aufgedeckten weinen müssen. Porrporrs Tränen hätten aus Porrporrs Augen spritzen müssen, als feine Strahlen und in Bögen sichtbar weit. So nämlich hatten Smosmo und ich das irdische Weinen gleich im ersten Heiligen Buch beschrieben gefunden, uns unwillkürlich angeschaut und dabei gespürt, dass auch der andere im Gesicht des Gegenübers, in dessen inneren Augenwinkeln, nach den winzigen, aber offenbar unerhört ergiebigen Tränenlöchlein forschte. Die zweite Geschichte vom Gerechten Untergang erzählt, wie die allerersten Kinder, wie die Urkinder die rechte Zeit versäumten, um ihre Mütter, die allerersten Mütter des Planeten, zu beweinen. Die kleinen Buben und die Mädchen weilten unten, im damals tiefsten Stollen, dem einzigen Ort, an dem man zwar nicht beklemmungsfrei, nicht ohne Schmerzen in der Brust, aber immerhin ohne
Weitere Kostenlose Bücher