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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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die Erde ihre Kinder eines Tages nach Hause holen wird. Aber wie die bisherigen Versuche in Bildern des Todes verendet waren, durfte nicht Bestandteil unseres gemeinsamen Erzählens werden.
    Alide schiebt meine rechte und dann, nach einem kurzen, freundlichen Zögern, auch meine linke Hand beiseite. Sie flüstert mir zu, dass ich mich nicht vor diesem Buch zu fürchten brauche. Es stimme nämlich überhaupt nicht, dass riesengroße und riesenschwere Bücher auch besonders schwierig zu lesen seien. Auch in den dicksten Büchern komme jeder, so er nicht vor lauter Angst den Deckel wiederzuschlage, Zeile für Zeile, Seite auf Seite, immer von links nach rechts voran. Und wer noch nicht so schnell wie ihre Mutter lesen könne oder von etwas anderem, vom Rechnen, Basteln oder Malen müde sei, dürfe ruhig den Zeigefinger unter die Wörter legen. Sogar für das Zweimal- oder Dreimal-Lesen von schrecklich langen Sätzen müsse ich mich nicht schämen. Von Elussa sei ihr, als sie selber zu lesen angefangen hatte, verraten worden, die Bücher würden es sogar besonders leiden mögen, wenn man auf einer Seite mehrmals stecken bleibe und immer wieder ganz oben beginnen müsse. Gerade dann werde es den Wörtern und den Kommas und den Punkten so warm, als würden sie gestreichelt.
    Natürlich könnten ich und sie nicht wissen, welche Geschichte gleich, wenn wir den Deckel öffnen, im Buch zu finden sei. Am liebsten wäre ihr, es ginge um Amerika. Opa Spirthoffer hat ihr versprochen, er wolle in den Weihnachtstagen in seinem Keller und in seinem Turm, der bestimmt bis in die Spitze voll mit Regalen ist, nach einem Buch über Amerika suchen. Ob ich denn wisse, welches Unglück den Amerikanern, den früheren Amerikanern damals, noch bevor Elussa aus dem Bauch ihrer Mutter schlüpfte, zugestoßen war? Also: Es hatte in Amerika einen großen Berg aus gelbem Stein gegeben, mit uralten Bäumen, den höchsten Bäumen der ganzen Welt, mit einem immergrünen Riesenwald um sich herum. Alle amerikanischen Kinder waren mit ihren Eltern jeden Sonntag zu diesem Gelbsteinberg gefahren. In Autos breiter und länger als ein Don-Car. Und auch viel schöner als ein solches, weil auf dem glatten, kratzer- und beulenlosen Blech, vorne und hinten, in Rot und Blau und Weiß die Flagge der Amerikaner aufgemalt gewesen war. Ob ich auch wisse, dass sie Sternenwimpel heißt?
    Am Gelbsteinberg haben die Amerikaner dann gegessen und getrunken. Dessen oberer Buckel war nämlich ohneBäume. Die hatte irgendwann mal irgendjemand abgesägt. Nein, falsch! Oben auf diesem Berg hatte es überhaupt niemals Bäume zum Absägen gegeben, weil nämlich die Wurzeln von Bäumen nur kaltes Wasser saugen wollen. Oben am Gelbsteinberg befanden sich aber rundum große und kleine Löcher voll mit aufgeheiztem Wasser, manche gerade so schön warm, wie es in einer Badewanne sein muss. In diesen Löchern planschten die Kinder der Amerikaner, während ihre Eltern in den anderen dampfend heißen Wasserkuhlen das mitgebrachte Essen fertig kochten. So wunderbar sei das gewesen, dass die Amerikaner eigens ein Wort hierfür erfunden hätten: Picknick!
    Auch in Sibirien hatten Elussa und sie zuletzt noch, bevor sie nach Germania fuhren, auf einer Wiese diesen früheren Amerikanern ein solches Picknick nachgemacht. Und eben, als sie alle zusammen, hier am orangen Stein, die Kekse des toten Mannes gegessen und Monstermilch – nein, Mockmockmilch! – getrunken hatten, war dies eigentlich auch so ein Picknick gewesen. Nur leider sei ihr vorhin das Wort nicht eingefallen.
    Achtung: Jetzt komme das Besondere. Die Amerikaner hatten ganz genau gewusst, warum das Wasser warm war. Unter dem Gelbsteinberg lag nämlich ein Vulkan. Nein, falsch: Der ganze Gelbsteinberg ist selber der Vulkan gewesen, nur ohne Loch, ohne das große, kreisrunde Loch, aus dem bei anderen Vulkanen der Rauch aufsteigt. Ohne ein Abzugsloch musste der Gelbsteinberg den vielen Qualm für sich behalten. Und alle Amerikaner wussten ganz genau, dass dies kein gutes Ende nehmen konnte, weil nämlich sogar der Rauch, ein jeder Rauch der ganzen Welt, damals und heute, obwohl er genauso weich und leer wie Luft ist, Platz zum Dasein nötig hat.
    Elussa sagt, der Berg sei gar nicht schuld. Im Gegenteil: Sein gelber Stein habe, solange es gegangen sei und nochein bisschen länger, mit aller Kraft den vielen Qualm für sich behalten. Aber dann wurde es so heiß und eng, dass der gute, feste, gelbe Stein sein eigenes Schmelzen nicht

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