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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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ihr Ziel erreicht zu haben. Und wie Mirmir und Toctoc schlüpft auch Elussa aus den Schlaufen des Rucksacks, der ihr auf dem letzten Stück doch schwer geworden ist. Sie stellt ihn vor sich in den Sand, lockert wie ihre Führer die angespannten Schultern und schaut auf ein von schmalen Gräben durchzogenes Gelände. Und plötzlich ist sich Elussa sicher, dieses Muster, dieses Kreuz undQuer von Linien schon einmal betrachtet zu haben. Vor kurzem erst. Nicht in der Schule, nicht zu Hause, nicht auf ihren Wegen durch Germanias Straßen, sondern in Spirthoffers Laden, im Elektronischen Hospital. Etwas hat dort so ähnlich und doch ein wenig anders ausgesehen.
    Elussa fasst sich mit beiden Händen an den Kopf, spürt, dass ihr Haar verschwitzt ist, auch ihre Stirn ist nass, anscheinend hat der Marsch sie stärker mitgenommen, als sich ihr Denken eingestehen mochte. Im ersten Buch, in dem sie gemeinsam gelesen hatten, in einem alten Schulbuch Alides, markierte Spirthoffer die erreichte Stelle, weil er noch alleine weiterüben wollte, indem er ein rechteckiges Kunststoffplättchen, bedruckt mit metallisch glänzenden Linien, zwischen die Seiten legte. Aber das ist es noch nicht, was ihr da eben beinahe wieder bildlich eingefallen wäre.
    Mirmir und Toctoc haben ihre Rucksäcke wieder aufgenommen. Auch Elussa bückt sich, vielleicht ein wenig zu schnell, denn kaum dass ihre Hände die groben Gurte berühren, wird das Glitzern des Sandes vor ihren Augen unscharf, als bewegten sich dessen oberste Körner. Und jetzt glaubt sie an ihrem Nacken einen starken, kühlen Hauch zu spüren. Wenn dies ein Schwindel, ein in den letzten Stunden zurückgehaltener Schwächeanfall ist, dann schafft es ihr Bewusstsein, ihn in etwas Wetterhaftes umzudeuten. Es sirrt. In beiden Ohren hörte sie ein windartiges Sirren, das womöglich bloß besagt, wie nah sie einer Ohnmacht ist. Sie hebt den Kopf, versucht den Blick erneut auf das Grabenlabyrinth zu heften.
    Plötzlich kennt sie es gut. So gut, dass sie sogar bemerkt, dass etwas fehlt. Auch Spirthoffers Lesezeichen, diesem elektronischen Bauteil, hatte dasjenige gefehlt, was dem Gewirr vor ihren Augen nun abgeht. Und endlich weiß sie, woran sie dieses Gelände, dieses Stück nächtliche Wüstenei erinnert. Als der tückische Alte sie von Alide weggezogenhatte, war ihr, obwohl schon schlimm benommen, als klarer Gedanke aufgegangen, dass er den Tee vergiftet hatte. In einem letzten Aufbäumen schlug sie nach ihrem Überwältiger. Und während er, dicht hinter ihr, in ihren Nacken keuchte, hatte sie seinen zweiten Kopf, den Greisenschädel, der sich über ihre Schenkel neigte, mit der flachen Hand getroffen. Das Mützchen flog ihm vom dünnen Haar, und sie musste sehen, was es in allen Unterrichtsstunden vor ihr verborgen hatte: ein von narbigen Linien fein zerfurchtes Kopfgewächs. Aber in garstigem Gegensatz zu diesem Grabenmuster hier im Wüstenboden und zu der Platine, die bestimmt noch immer in Alides Schulbuch klemmt, ragten damals, in Spirthoffers Werkstatt, aus Spirthoffers Geschwulst, zahlreiche kurze, steife Härchen antennenartig in die dritte Dimension.
    Spirthoffers doppeltes Zupacken, das ihr den Busen gegen die Rippen quetschte und zugleich die Knie zusammenpresste, blieb das Letzte, was sie zu spüren vermochte. Danach war bloß noch Raum für einen seltsam nachzüglerischen Gedanken. Elussa richtet sich vollends auf. Das Sirren lässt nicht nach. Ihr ist nicht schwindlig. Auch Mirmir und Toctoc drehen horchend die Köpfe in die sacht bewegte Luft. Und ebenso erleichtert wie über diese Gemeinsamkeit ist Elussa nun darüber, dass niemand ihren letzten Gedanken in Spirthoffers Werkstatt mitgedacht hat. Dort hätte ihr Sinnen, Sorgen, Sehnen Alide gelten müssen. Aber stattdessen hatte sie sich gewünscht, anstelle des doppelten Greises hielte sie ein junger Mann gepackt, und auch sie selbst hielte den jungen Unbekannten recht innig, versunken in ein wechselseitiges Begreifen und Kennenlernen, mit beiden Armen fest umfangen.

Hundert
    D er fürchterliche Sturm scheint endlich nachzulassen. Als seine ersten Böen lotrecht, wie etwas Schweres, das die Nachtwolken nicht länger in sich halten wollten, in die Grube stießen, erwies sich Sursurs Fund als groß genug, um allen acht Körpern, gekauert unter die feste Plane, Platz zu bieten. Unsere tüchtige Twitwi hatte uns, gegen den Wind anschreiend, erklärt, wie wir die Arme auf die nach innen geschlagenen Kanten stemmen sollten, damit

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