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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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die Hülle nicht weggerissen werden könnte. Alide kam in unsere Mitte. Im Nu prasselten Sand, Steinchen und jenes zu Kügelchen erstarrte Wasser, das ich nur aus der Erzählung vom bislang letzten Kaltsturm kannte, gegen die Plane, die uns birgt. Und während unsere Arme, unsere Schultern, unsere Oberschenkel, während jedes Stück Leibesoberfläche, das wir gegen die Schutzschicht pressten, bereits die mörderische Eisigkeit des Draußen nach innen dringen spürte, kroch unsere Alide im Kreis herum, schmiegte sich gegen Hüften und Waden, griff an die bloßliegenden Knöchel und blies nicht nur der wiedergewonnenen Mutter ihren kindlich heißen Atem in den Nacken.
    Bevor das erste zarte Sirren hörbar wurde, hatten Spispi und Hoho, als ob sie ahnten, dass nicht mehr viel Zeit für ein ruhiges Betrachten bleiben würde, Alide bedrängt, ihr Geschenk zu öffnen. Die beiden zupften an der dünnen Schnur, die das Papier zusammenhielt, und hätten die kostbareUmhüllung vielleicht sogar eigenmächtig aufgerissen, wenn das Mädchen sich nicht entschlossen hätte, die Schleife aufzuziehen und das Verborgene auszuwickeln. Und wie Alide das dunkle Rohr aus dem Papier nahm und triumphierend ausrief, wir wüssten bestimmt nicht, was dies sei, waren es die Hände der dickköpfigen Brüder, die den rätselhaften Gegenstand, fast zielgerichtet fingernd, zu seiner vollen Länge auseinanderzogen.
    Ich sah Metall, Kunststoff und Glas, so glatt und schön, so unbeschadet, wie ich mir seit langem, seit meinen ersten Lesenächten, die irdische Dingwelt denke; aber ich hatte keine Idee, wozu der Gegenstand, den unsere Alide Fernrohr nannte, einem kleinen Mädchen oder einem anderen Menschen dienen könnte. Twitwi jedoch hatte aufs Wort gehört und etwas Wortverwandtes war ihr eingefallen. Schon war sie aufgesprungen, und obwohl sie ein «Bleibt alle hier!» gemurmelt hatte, überließ ich Alide und ihr blankes Fernrohr den aufgeregt brabbelnden Brüdern, um der Leiterin unserer Werkstatt für unsichtbare Kräfte hinterherzurennen.
    Als Twitwi und ich dann wenig später zusammen auf dem Rückweg waren, kam uns am Anfang des Grabens, der an die Warmsteinplatte führte, das Geschenkpapier entgegen. Es flatterte in kleinen Hüpfern auf uns zu. Aber wie ich es fassen wollte, hob eine Böe den dünnen, falschen Himmel und all seine geschweiften Sterne in die Höhe. Ich spürte eine scharfe Kante des Papiers auf meiner linken Wange, und schon war es, vielleicht wie einer jener Vögel, die durch die irdischen Lüfte fliegen, über den Grabenrand hinweg entwischt. Zuvor schon, während wir noch suchend durch die Trümmer von Sursurs Hütte stapften, waren die Wolken in Bewegung geraten, und weil das Licht unserer Monde plötzlich wieder reichlich über das Gelände schwemmte, fand Twitwi schnell, wonach sie suchte. Ich bot ihr an, dasschwere Ding zu tragen. Aber sie schüttelte den Kopf und hob den grauen Kasten des Notfernmelders aus dem vom Wind zu kleinen Wirbeln aufgestörten Sand.
    Noch immer wundert mich das Bild, das sich Twitwi und mir dann an der Platte bot. Statt der drei, die wir verlassen hatten, waren sechs Menschen, wie von einer umsichtigen Hand geordnet, über das Quadrat verteilt. Keine Geringere als unsere Barmherzige Schwester kniete vor dem ausgehöhlten Buch. Der Zeigefinger ihrer Rechten strich über die Wortreste des äußeren Rands. Toctoc leuchtete ihr mit unserer Fackel. Und als der Wind eine kleine tiefrote Flammenzunge aus deren Spitze trieb, täuschte mir das Schwanken des Zündpechlichtes vor, die Lippen meiner Vorgesetzten würden die verbliebenen Silben eine nach der anderen lesen.
    Alide hatte den Hinterkopf unter den Busen einer mir unbekannten Frau gedrückt und hielt sich das Geschenk vors Auge. Twitwi und Hoho dienten ihrem Schauen, indem sie jeweils mit einer Hand das schräg emporragende Fernrohr stützten. Endlich, ohne ein weiteres Überlegen, verstand ich dessen irdischen Zweck, und ein Aufseufzen Twitwis, dicht hinter meinem Rücken, verriet mir, dass es ihr nicht anders ging.
    «Mama, du täuschst dich! Das ist nicht einer. Da sind zwei!» Ich, Twitwi und gewiss auch ihre dickköpfigen Gehilfen, ahnten, was Alide ihrer doch noch eingetroffenen Mutter damit sagen wollte.
    Hier, unter der Plane, die uns bis jetzt geschützt hat und noch weiter gegen Sturm und Kälte schützen wird, können wir nicht sagen, wann die Nacht zu Ende ging, ob überhaupt ein lichter Tag anbrach oder ob das Wüten des

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