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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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drei Mannslang tief in den lehmigen Braunstein gehauenen Mutterkind-Kammer hauste, ist nie jemand über unsere Schwelle getreten.
    Ja, die Matte am Ende dieses fensterlosen Quaders, auf der ich mit meiner Mutter ungezählte Nächte verschlief, scheint mir der Ort, an den auch in alle Zukunft nie die Vorstellung eines Dritten vordringen wird. Als meine Mutter von einem Tag auf den anderen erkrankte, ging sie noch ein einziges Mal, begleitet von mir, zu Smosmo ins Sonnenhaus. Und weil sie schon einen Tag später, wie es für die Schändliche Unlust eigentümlich ist, zu matt war, um diese bescheidene Strecke zu bewältigen, kamen Smosmo und Mirmir danach stets täglich auf die Unterebene, um sieauf der Bank, die für dergleichen auf dem breiten Gemeinschaftsgang steht, zu untersuchen und zu behandeln.
    Ich war gerade in meinem zweiten Sonnenhausjahr, und es ist üblich, den jüngeren Nothelfern die langen oberirdischen Wege aufzutragen. Mit Toctoc wurde ich losgeschickt, um frischen Blaustein zu ernten. Toctoc kannte den Weg bereits. Das nächste Blausteinvorkommen war damals drei Tagesmärsche entfernt und liegt wie alle in der Folgezeit ausgebeuteten Stellen in den Faltenhügelchen, deren schroffes Gelände keine Rollerfahrt erlaubt. Bald mussten wir sogar die Handkarre zurücklassen. Der Grund dampfte. Die meist weißen, manchmal grauen, selten grünlichen Schwaden rochen angenehm süß, fast wie aufgekochte Mockmockmilch, aber jedes Kind weiß, dass solchen Ausdünstungen nicht zu trauen ist. Smosmo hatte uns noch einmal eingeschärft, um Stellen, an denen es heftig grünstichig qualmte, einen großen Bogen zu schlagen. Als wir am Abend des dritten Tages in die Nähe unseres Ziels kamen, begann der Boden zu beben. Auch dies war nicht ungewöhnlich. Bis heute ist der Untergrund der Faltenhügel in Bewegung, und wenn es im Winter zu sehr heftigen Stößen kommt, kann man von der Kolonie aus die höchsten Dampf- und Staubfontänen bis in den Silberstreif über dem Nordhorizont hinaufstechen sehen.
    Blaustein ist wichtig. Stets soll die Blausteinpulverkiste im Sonnenhaus randvoll sein. Für einen Wickel aus Blausteinbrei, der den Bauch vom letzten Rippenbogen bis hinunter an das Haar des Unterleibs bedecken muss, braucht man acht Handvoll zu feinem Mehl zerstoßene Bröcklein. Und wer von der Schändlichen Unlust befallen ist, soll sogleich und dann zweimal täglich, morgens und abends, mit frischem Brei gewickelt werden. Denn die erste Woche gilt als die schwebend kritische Zeit, in der etwas, irgendwo tief in der Mitte des Leibes, entscheidet, ob es zu einer langwierigen Genesung oder zu einem zügigen Aufgeben kommt.
    Die damalige Abbaustelle war eine schmale Rampe, recht steil in zähen Grund gegraben. In den Faltenhügelchen schwankt die Feuchtigkeit des Bodens stark. An manchen Stellen hinterlässt jeder Schritt eine Mulde, die sich sofort mit einer metallisch schimmernden Brühe, dem sogenannten Grünöl, füllt. Die meist gerade mal mannshohen Erhebungen, die der Name der Gegend meint, sind von handbreiten Rissen durchzogen, und auch in den Tälchen, auf denen man sie umwandert, muss der Blick den Untergrund im Auge behalten, sonst tappt der Fuß in einen dieser Spalte, die sich bilden, sobald der Spiegel der eigentümlichen Flüssigkeit sinkt, ihre Pfützen verschwinden und der Lehm sich trocknend zusammenzieht. Grünöl ist unbekömmlich, schon das unvorsichtig tiefe Einatmen seines Geruchs kann zu Erbrechen führen. Obwohl Grünöl erwärmtem Steinschmalz ähnelt, brennt es nicht, nicht einmal wenn man es in der Sonne zu einer pechigen Pampe hat eintrocknen lassen. Eine Neubastlergruppe, die lange vergeblich nach einer Verwendungsmöglichkeit für den scheinbar vielversprechenden Stoff gesucht hat, ist vor kurzem vom Panik-Rat aufgelöst worden.
    Als Toctoc und ich damals an der Grube eintrafen, war es bereits zu dunkel, um noch mit der Arbeit zu beginnen. Der Blaustein durchzieht das Material, das ihn umgibt, stets in ähnlich flach gewellten, kaum daumenbreiten Adern, und es ist wichtig, ihn ohne Verunreinigung herauszulösen. Also entrollten wir unsere Matten, um bis zum Morgengrauen ein wenig Schlaf zu bekommen. Toctoc hinderte das Grummeln des Untergrunds nicht daran, der Erschöpfung nachzugeben. Aber mich sorgte die Erkrankung meiner Mutter, und während ich mich unruhig hin und her wälzte, glaubte ich, ein Ohr auf dem Gewebe aus groben Mockmockfasern, schließlich, sogar ihr nächtliches Ein- und

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