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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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ist: Es war höllenkalt, es herrschte einer jener eisigen Winter, mit denen die Siedler einst zu kämpfen hatten, als ihre Welt in Hitze und Feuer unterging.
    Die erste Geschichte vom Gerechten Untergang ist kurz. Eigentlich besteht sie nur aus zwei Bildern. Das erste zeigt einen rennenden Mann. Er trägt ein Mädchen, das groß genug wäre, selbst um sein Leben zu laufen. Aber es geht nicht bloß um die Geschwindheit der Beine. Der Mann hält den Kopf des Mädchens gegen seine Brust gepresst und hat es geheißen, seine Glieder an den Leib zu ziehen, um alles, sogar die Hände hinter seinem breiteren Rumpf wie hinter einem Schild zu bergen. Fast hockt sie in seinen Armen. So erreichen sie den Turm. Das Folgebild zeigt das Mädchen bereits auf eigenen Füßen, hinter der schützenden Rundung aus Braunsteinblöcken. Gerettet wendet es den Kopf, sein Blick sucht den Retter.
    Die Erzählkunst, die dem unterrichtenden Nothelfer von den weit aufgerissenen Augen, von den offenen Mündern der Erstlinge abverlangt wird, besteht vor allem darin, dass er die Fuge, die leere Nische zwischen den beiden Bildräumen, so weit wie möglich aufspreizt. Das ist nicht einfach. Alles, was ich meiner Mutter und meiner geheimen Lektüre verdanke, werde ich morgen hierfür aufbieten müssen. Aber der ehrwürdig lange Stock, seine orange gebliebene Spitze und die goldene Glasur der Turmwand sollen mir helfen. Girrgirr kann es Jahr auf Jahr nicht viel anders ergangen sein. Die schneidende Helle seiner Stimme, seine Neigungzu knappen, ohne Senkung des Tons abreißenden Sätzen waren beim Sprung in die Mitte, in die Herzkammer des zweiten Bildes bestimmt kein Nachteil. Besser als in Smosmos weichem Singsang kann ich mir in Girrgirrs kurzatmiger Schrillheit gesagt denken, wie der volle, feste Leib des Mannes vor den Augen des geretteten Kindes vom Lichtwind erfasst wird und sich entformt zu Dampf und Rauch und schwarzem Partikelgestöber.

Achte Schreibnacht
    D ie Schar der neuen Schüler ist so klein. Als sich die Mädchen und Buben kurz scheu im Unterrichtsraum umgesehen hatten, dann aber wild entschlossen an die Hocker stürmten, um sich den Platz zu sichern, der nun für eine lange Weile ihr liebster bleibt, begriff ich, wie arg lückenhaft die beiden Arbeitstische besetzt sein würden. Trotzdem zählte ich meine Erstlinge nicht ab. Ich sah ihnen bloß nacheinander ins Gesicht. Alle erschienen mir wohlgeraten, sogar auf eine verblüffend ähnliche Weise hübsch. Dann bat ich einen Jungen, dem nicht nur die Erwartungslust, sondern auch die Ausdrucksfreude aus den Augen blitzte, mir und den anderen von seinem letzten ungeteilten Mutterkind-Tag zu berichten.
    Der Kleine erwies sich als der Sohn einer Feuerwerkerin und erzählte, er sei am gestrigen Nachmittag mit dem Arbeitstrupp seiner Mutter aus den Faltenhügelchen zurückgekommen. Viel Zündpech, tiefschwarz und rein, hätten sie dort entdeckt, die glasigen Fladen mit dem Brecheisen aus dem Boden gehoben und mit dem Hammer in handliche Brocken zerschlagen. Zum ersten Mal sei es mehr gewesen, als ihre Behälter hätten aufnehmen können. Und ihre Karre, zu der sie die vollen Eimer geschleppt hatten, sei auf dem Rückweg so mühselig zu ziehen und zu schieben gewesen wie nie zuvor. Die Hälfte der Ladung mussten sie gleich den Blechschmelzern übergeben, weil deren Vorräte schon seitTagen aufgebraucht gewesen waren. Und auch bei den Geschirrbrennern, zu denen seine Mutter gehöre, werde das Gefundene schon bald in den Ofen wandern.
    Zündpech ist kostbar. Es spendet weit mehr Hitze als der Klebstein, der mit flacher Flamme auf unseren Alltagsfackeln verbrutzelt, oder das braune Steinschmalz, das in unseren Lämpchen brennt und, mit Bittersalz verknetet, die Dochte unserer Kerzen nährt. Heute, an meinem ersten Unterrichtstag, kam mir zugute, dass die Feuerwerkertrupps häufiger den Beistand der Nothelfer brauchen als alle anderen Arbeitsgruppen. So konnte ich aus einer Fülle von Geschichten schöpfen. Bereits an meinem allerersten Sonnenhaustag bin ich mit Smosmo zu den Blechschmelzern hinübermarschiert, um dort nach einem Verletzten zu fahnden, den wir nicht, wie erwartet, in seiner Kammer auf der Unterebene angetroffen hatten. Ich trug den Topf mit der schwarzen Salbe, die für die Behandlung seiner Wunden vorgesehen war, und Smosmo nutzte den Weg, um mir die großflächigen Verbrennungen auf beiden Oberschenkeln zu beschreiben, die den Gesuchten eigentlich von jeder unnötigen Bewegung

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