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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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ersten Durchsicht unterziehen könne.
    Umann stand auf und spürte, kaum dass er die Knie gestreckt hatte, die Hände von Don Dorokins Leibwächtern an seinen Ellenbogen. Just so, behutsam, aber entschieden, hatte man im Inneren der Dreifaltigkeitskirche, zu deren Portal er noch arg derb hinaufgestoßen worden war, Tuchfühlung zu ihm gehalten. Dass der Innendienst eigenen Verhaltensregeln gehorchte, hatte er bereits vor seiner Begegnung mit Dorokin erfahren dürfen. Denn zunächst war erzu einer alten chinesischen Ärztin gebracht worden. Dort hatte man ihm die Fesseln abgenommen, damit er sich vor ihr, die sich als Frau Doktor Hu vorstellte, splitternackt ausziehen konnte. Und während der folgenden Untersuchung tupften die Fingerspitzen der Wachleute nur noch gelegentlich leicht an seine Hüfte oder Schulter, um ihn diskret an ihre Anwesenheit zu erinnern. Nie war sein Körper in der Guten Alten Zeit vergleichbar gründlich examiniert worden. Die Chinesin entnahm Blut aus der Armbeuge, verlangte ihm Speichel und Urin ab, befragte ihn nach überstandenen Krankheiten und Verletzungen, und nicht bloß in seine Ohren, seine Nasenlöcher und in seinen weit aufgesperrten Mund – eine kühle Edelstahlklemme blockierte die Kiefer – war ein langer, fachfraulich prüfender Blick geworfen worden.

Im Advent: Fünf
    G anz vorn im Mund, dort wo ihre Zunge die matschige Hafergrütze von innen gegen die Zähne drückte, hatte Alide es schon beim Frühstücken gespürt: Der alte Mann, dessen kaputt gegangenes Russisch von Elussa repariert werden musste, würde in seinem Laden ein Flugzeugbuch für sie finden! Und dieser Gewissheit war, während sie sich dann im vormittäglichen Gemeindeunterricht langweilte und zu träumen anfing, ein Plan entsprungen. Sobald sie das Buch, geliehen oder geschenkt, in Händen hielt, würde sie ihre Mutter davon überzeugen, dass sie sich dafür selber bei ihm, bei ihrem lieben Opa Spirthoffer, bedanken müsse.
    Umso mehr erschrak Alide, als sie auf dem nachmittäglichen Heimweg von Elussa erfuhr, Herr Spirthoffer habe sich zwar sofort und ganz deutlich an einen besonders schönen Band voll mit Bildern von Flugzeugen erinnert, aber wo sich dieses Buch im Durcheinander seines Ladens befinde, sei ihm, auch nachdem er laut auf Russisch darüber nachgedacht und ebenso laut auf Deutsch mit seinem Gedächtnis geschimpft hatte, einfach nicht mehr eingefallen. Ihre Mutter behauptete, dergleichen sei bei derart uralten Menschen nicht weiter verwunderlich, und vielleicht komme Herr Spirthoffer doch noch irgendwann darauf, wo das Gesuchte stecke – eventuell schon morgen oder in den nächsten Tagen oder womöglich an Weihnachten, weil dann den Menschenbekanntlich alles Mögliche und Unmögliche wieder wie aus dem Nichts in den Sinn gerate.
    Als das Wort Weihnachten fiel, schöpfte Alide, der vor Wut und Enttäuschung schon die Tränen in die Augen geschossen waren, neue Hoffnung. Also spülte sie nach dem Abendessen unaufgefordert das Geschirr ab und übte freiwillig so lange auf der Blockflöte, bis ihr die Lippen wehtaten. Und wirklich, während sie in ihren Schlafanzug schlüpfte und dabei, weil ihre Mutter dies liebte, heftig gähnend behauptet hatte, sie wolle nur noch ins Bett und würde bestimmt gleich einschlafen, bestätigte sich ihr Verdacht.
    Ach, fast hätte sie es vergessen, schwindelte Elussa, wie es wohl nur Müttern zu schwindeln erlaubt ist, Herr Spirthoffer habe ihr etwas mitgegeben. Als er, über einen großen Koffer gebeugt, mit beiden Händen in alten Zeitungen und Magazinen gegraben habe, sei ihm schließlich doch noch etwas für Alide in die Finger geraten. Zwar kein Flugzeugbuch, aber etwas in gewisser Weise Ähnliches, etwas Verwandtes. Ob Alide eigentlich wisse, dass jene Amerikaner, zu denen ihr Onkel mit dem Schiff gefahren sei, vor vielen Jahren über den blauen Himmel hinaus, senkrecht in den noch höheren schwarzen Himmel hinein und dann in weitem Bogen bis zum Mond geflogen seien.
    «Mit einem Flugzeug?»
    «Nein, mit einer Rakete.»
    «Mit einer Rakete!», echote Alide, und obwohl sie das dreisilbige Wort zum ersten Mal hörte, glaubte sie dessen Bedeutung beim Aussprechen deutlich am Gaumen zu spüren. Und deshalb rannte sie, ohne eine weitere Frage zu stellen, in die Schlafkammer hinüber, weil sie wusste, dass Elussa ihr sogleich mit diesem Raketenbuch, mit dem Mondbuch von Opa Spirthoffer folgen würde.
    Am nächsten Morgen wachte Alide, was ihr nur sehr selten

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