Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
Vom Netzwerk:
über einen verlässlichen Don-Phon-Anschluss, aber bei einem Anruf hätte ihn der Alte womöglich gefragt, von wem er die Nummer habe. Also entschied sich Umann, nichts zu übereilen und nach Einbruch der Dunkelheit noch einmal vorbeizuschauen. Zunächst galt es, in seine alte Behausung zurückzukehren, als wäre nichts weiter gewesen.Umann hatte Juri klargemacht, warum dies für ein unverfängliches Vorgehen nötig war. So sehr er die Gastfreundschaft des Don zu schätzen wisse, er habe die letzten Jahre stets wenig mehr als eine Viertelstunde Fußweg vom Elektronischen Hospital entfernt gelebt. Von denen, die ihn kannten, müsse, so wie die Verhältnisse nun einmal seien, unweigerlich auch der eine oder die andere mit Spirthoffer zu tun gehabt haben. Nur wenn er in seine Wohnung heimkehren dürfe, also wie gewohnt lokalisierbar bleibe, könne aus diesem Netzwerk des Kennens und Gekanntwerdens kein Risiko erwachsen.
    Darauf hatte Juri das sogenannte Gästezimmer, dessen eiserne Tür nur von außen zu öffnen war, verlassen, um beim Don nachzufragen, und schon wenig später hatten sie gemeinsam die Fußgänger-Kontrollschleuse der Dreifaltigkeitskirche passiert. Dort übergab ihm Juri den Rucksack mit seinen Sachen, versicherte ihm, dass selbstverständlich nichts abhanden gekommen sei, und als Umann dem Technikchef des Don die Rechte zum Abschied entgegenstreckte, war ihm von diesem als kleine Überraschung und als Beweis männlichen Vertrauens sogar noch das Magazin seiner Pistole in den Handteller gedrückt worden.
    Umann warf einen letzten Blick in das Schaufenster; mittlerweile hatte sich dessen Beleuchtung eingeschaltet. In den Girlanden aus Plastiknadeln, die der Scheibe einen weihnachtlichen Rahmen gaben, blinkten rote Birnchen, und auch an den Spielfiguren war eine Vielzahl von bunten Lämplein zum Leben erwacht. Zudem waren die vielbeinigen Monster auseinandergerückt, ja sie schienen sich exakt so über den roten Grund verteilt zu haben, dass nun ein jeder den gleichen Abstand zu den ihm nächsten Gesellen einhielt. Derjenige, den der erboste Sammler Mordock genannt hatte, ein vielbeiniger halbkugelförmiger Kerl, stand genau in der Mitte, und Umann hatte das Gefühl, dass ihnjust das beanstandete graue Kästchen auf seinem Rücken zu dieser zentralen Stellung berechtigte.
    Auf dem Weg zur nächsten Seitenstraße kamen ihm eine zierliche Frau und ein Mädchen entgegen. Umann wich in den hohen Schnee aus, damit die beiden, Hand in Hand, auf dem schmalen festgetretenen Mittelstreifen bleiben konnten. Die Frau war hübsch, ja asiatisch schön, aber als sich Umann nach einem Dutzend Schritten umwandte, um den beiden nachzusehen, geschah dies vor allem des Schaufensters wegen. Er wollte wissen, ob dessen Landschaft sie zu einem Stehenbleiben verlocken würde. Zu seiner Überraschung standen die zwei jedoch bereits hinter dem hellen Fleck, den das Fensterlicht auf den dämmrig grau werdenden Schnee warf. Und weil sie dort, vor der Ladentür, die Köpfe nicht in den Nacken gelegt hielten, ihre Gesichter also nicht Richtung Kamera gedreht hatten, schloss Umann, dass sie sich sicher waren, eingelassen zu werden.
    Er hielt inne. Er spürte, etwas in ihm wünschte, dass diese beiden, gleich dem Schnauzbart und ihm, nun vergeblich darauf hoffen sollten, ins Elekronische Hospital zu gelangen. Aber da verschwand der linke Arm der Frau in der Türhöhlung, offenbar drückte sie die entriegelte Tür nach innen, und schon folgte ihr das Mädchen in die Tiefe des Ladens. Ein heftig antipathisches Empfinden, eine Mischung aus Ärger und Missgunst, stieß Umann in den Hals, er schluckte und spuckte unwillkürlich aus, als könnte er sich damit seines Verdrusses entledigen. Sofort war ihm peinlich, wie theatralisch dieser Unmutsreflex war. Offenbar hing sein Aufbrausen damit zusammen, dass er nach so vielen Jahren einsamer Freibeuterei ohne jede Vorahnung oder Vorwarnung wieder in ein festes Dienstverhältnis und damit unweigerlich in ein noch dunkles Gespinst aus Pflichten, Konkurrenzen und Widersprüchen geraten war.

Im Advent: Sechs
    K ein Wunder, dass er schwach geworden war. Das kleine Mädchen hatte sich gestern Abend geschickt darauf verstanden, ihm zu gefallen. Und dass er nun, im allerersten Morgendämmer, nach dem nächtlichen Tun im Turm und dem wie immer zu knapp bemessenen Schlaf, nicht parat hatte, wie das Töchterchen seiner Russisch-Lehrerin hieß, machte die Erinnerung an sie kein bisschen weniger

Weitere Kostenlose Bücher