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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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mehr hereindrang. Die erste sekundenknapp gewesene Gelegenheit, das Turminnere zu erfassen, war verpasst.
    «Abwarten!», flüsterte Spirthoffer. «Es dauert ein bisschen. Es hat irgendetwas mit Kunst zu tun. Zumindest ist es von einem Künstler so umgebaut und eingerichtet worden, ganz zuletzt noch in der Guten Alten Zeit. Das haben wir noch herausbekommen können.»
    Andächtig hielten sie still. Juri lauschte nach dem Schnaufen des Alten, die Feuchtigkeit der Luft schien Spirthoffers Bronchien gut zu tun, denn das Rasseln des Luftholenswurde allmählich leiser. Juri hörte die eigenen, etwas schnelleren Atemzüge, schließlich glaubte er gar seinen Herzschlag als ein dumpfes Pochen hinter den Rippen wahrzunehmen. Und irgendwann, mitten hinein in ihr merkwürdig feierliches Schweigen und in die Reinheit der Finsternis, kroch ihm die Einsicht, dass er schon ein ganzes Weilchen Angst hatte. Er fürchtete sich, er fürchtete sich bis in die Knochen. Etwas in ihm hielt für möglich, ja für wahrscheinlich, für höchstwahrscheinlich, dass Spirthoffer ihn längst durchschaut hatte, dass ihn der hinterhältige Greis in Bälde jählings attackieren würde, aus einem zwingenden, keinen weiteren Aufschub duldenden Grund, der irgendwo hier, in der perfekten Lichtlosigkeit dieser angeblichen Kunsteinrichtung verborgen lag.
    «Es geschieht selbsttätig, Juri. Irgendeine Automatik springt an. Aber da ist kein Schalter in den Angeln oder im Schloss, nirgends eine Photozelle und auch kein Druckmelder im Estrich. Ich bin noch nicht dahinter gekommen, wie dieser verflixte Kunstkerl es damals eingerichtet hat. Weil wir zu zweit sind, kommt es schneller in Gang. Noch ein bisschen Geduld, mein Lieber!»
    Er und seine Furcht glaubten dem Alten kein Wort. Also machte Juri einen weiten, lautlos gleitenden Schritt zur Seite, so wie er es vor vielen Jahren als blutjunger Rekrut in der Nacht- und Nahkampfausbildung gelernt hatte. Dann sank er tief in die Hocke, um einen Angriff auf seinen Kopf oder seine Brust ins Leere laufen zu lassen, und schwenkte die Rechte mit der Pistole in die Richtung, aus der das erstaunlich sacht, fast geschmeidig gewordene Schnaufen des Alten kam. Sein Herz hämmerte hinab in den zwischen dem enggeschnallten Gürtel und dem Brustkorb gestauchten Magen, und er befürchtete, dass Spirthoffer dieses rasende Wummern mit irgendeinem Organ, mit einer hochsensiblen Geschwulst, wie sie erst in den Körpern greiser Männerheranwuchs, wahrnehmen könnte. Längst war ihm speiübel, aber erst jetzt bemerkte Juri, dass der Brechreiz, dass überhaupt die ganze Bedrohung eine Farbe angenommen hatte: Alles war orange getönt. Mit der freien Linken fuhr er sich über die Augen, als könnte er so den monochromen Schleier beiseiteschieben. Aber dies bewirkte das Gegenteil. Die zuvor gleichmäßig eingefärbte Finsternis begann sich rundum mit pulsierenden grellorangen Panikpünktchen anzureichern.
    Und obschon er sich wirklich elend fühlte, so hundserbärmlich elend wie auf dem Höhepunkt des Großen Winters, als es zwei Monate nicht mehr richtig hell geworden war und seine damalige Einheit gegen die zahllosen, von Woche zu Woche immer besser bewaffneten Plünderer auf verlorenem Posten gestanden hatte, wurde ihm nun zügig warm auf dem Gesicht und auf den Händen, wohlig strahlungswarm wie in der unmittelbaren Nähe eines Holz- oder Kohleofens, so wunderbar angenehm warm, als hätte hier drinnen, in Spirthoffers Wasserturm, eine okkultes Sönnlein zu scheinen begonnen.
     
    Spirthoffer hatte die Künste nie geliebt. Und von Jahrzehnt zu Jahrzehnt war aus seinem zunächst nur ignoranten Banausentum allmählich mürrische Geringschätzung und schließlich sogar reizbare Abneigung geworden. Aber zum Glück zwang ihn nichts und niemand dazu, das Bild, die kunterbunte Zeichnung, die ihm Alide da als Geschenk mitgebracht und sichtlich erwartungsvoll überreicht hatte, als Kunstbemühung zu verstehen. Die Kleine wollte gewiss keine Künstlerin sein, sie hatte sich einfach tüchtig Mühe gegeben, einem einstigen Weltding, das sie nur vom Hörensagen, wahrscheinlich bloß aus der vagen Beschreibung ihrer Mutter kannte, eine von Linien klar umrissene Gestalt zu geben. Also lobte er, was sie für ihn mit ihren Stiften aufein großes Blatt gebracht hatte. Ja, er behauptete, falls er auf seine alten Tage noch eine Rakete bauen sollte, würde sie genau so aussehen: schlank und hoch wie ein Turm! Die Gestalten im Inneren des

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