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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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Eurorubel auf den Arbeitstisch des alten Bastlers legen ließe. Dem Dossier des Don war zu entnehmen gewesen, dass Spirthoffer einen hochprozentigen Tropfen zu schätzen wusste, und wirklich hatte sich bei seinem letzten Besuch das Danziger Goldwasser als ideales Mitbringsel erwiesen. Eine zweite Flasche hätte nun allerdings nicht bloß eine plumpe Wiederholung bedeutet, sie wäre dem Greis in Anbetracht des Marktpreises für vergleichbare Alt-Alkoholika vermutlich zudem als unangenehm prahlerische, vielleicht sogar verdächtig absichtsschwangere Investition in seine Geneigtheit erschienen.
    Da kam ihm, gerade als er aufbrechen wollte, der Zufall zu Hilfe: Aus dem Korb der Brotfrau, die ihre morgendliche Runde durch die Nachbarschaft in seinem Haus begann, roch es so köstlich wie nie zuvor, und obwohl sich der Zusammenhang mit Tannenbaum, Adventskranz und Kerzenlicht wie von selbst entfaltete und er sogleich eine unverwechselbar klebrige Süße auf der Zunge zu schmecken und gummiartige Bröcklein zwischen den Zähnen zu spüren vermeinte, wollte sich der verschollene Name und damit das beruhigende, gute alte Wissen nicht einstellen. Also war ihmnichts anderes übriggeblieben, als zu fragen, was denn da in Gestalt mehrerer zierlicher Barren, von dünnem braunen Papier umhüllt, bei den Brotlaiben liege und derart verheißungsvoll dufte.
    Zu Umanns Überraschung schob ihm Spirthoffer, kaum hatte er an dessen blank geräumtem Arbeitstisch Platz genommen, ein vergilbtes Stück Papier, einen uralten Don-Erlass, unter die Nase, bat ihn mit ernster Miene, dessen kleingedruckten Zusatz zu lesen, und bedauerte dann mit wieder freundlich lächelndem Gesicht, dass es bloß schwarzen Tee zum mitgebrachten Christstollen geben würde. Die Aussicht, in diesem Leben noch einmal Kaffee zu trinken, sei längst gnädig hinter dem Horizont der für ihn vorstellbaren Zukunft versunken gewesen. Nun aber, wo dieses mindestens genauso lang entbehrte Gebäck vor ihm stehe, flamme das erloschene Begehren wieder am Himmel der Möglichkeiten auf. Er wolle den Tee so stark machen, dass immerhin dessen Schwärze an Kaffee erinnern würde, und mit einem kleinen Schuss Milch wäre die Illusion zumindest optisch nahezu perfekt.
    Das wunderbar süße, allenfalls noch ein bisschen zu weiche Backwerk kauten und speichelten sie in fast andächtiger Stille. Und nachdem er sich noch ein zweites Stückchen gegönnt hatte, nahm Spirthoffer den Don-Erlass wieder vom Tisch und trug ihn ins hintere Zimmer. Umann hörte das unverwechselbare Quarren, mit dem sich die Mechanik eines jener Aktenordner öffnete, die trotz der dereinst schier paradiesisch gewordenen Kapazitäten der Datenspeicherung auch in seiner Behörde bis zuletzt unverzichtbar geblieben waren. Spirthoffers Gedanken mussten, während er die Flugschrift abheftete, auf das gleiche Feld geraten sein. Denn als er an den Tisch zurückkam, fragte er ihn, womit er denn früher, als es noch eine Berufstätigkeit in altem Sinne gegeben habe, seinen Lebensunterhaltverdient habe, und ob sein Wunsch, mit dem Flugfunkgerät in den Äther zu lauschen, in Zusammenhang damit stehe.
    Umann schöpfte neue Hoffnung. Vielleicht ließ sich über eine Missachtung des Don-Erlasses reden, wenn es ihm gelang, den Alten mit der einen oder anderen Reminiszenz an die Gute Alte Zeit zu rühren. Also bekannte er ohne Zögern, dass er als Leiter einer kleinen hochspezialisierten Behörde in die globale Bekämpfung des Dialogischen Terrorismus eingebunden gewesen sei. Genau genommen hätten sie fast ausschließlich Kommunikationsanalyse betrieben, allerdings in mehr als drei Dutzend Sprachen. Und da die Vorläufer der heutigen Kleinköpfe dazu übergangen waren, ihre medialen Diskurse stets in einem raffiniert kleinteiligen Gemisch aus zwei weit auseinanderliegenden Sprachen abzuwickeln, habe er ein Team führen dürfen, dessen linguistische Potenz beachtlich gewesen sei. Finnisch, bis in die Silbenstruktur verquickt mit Farsi, sei ihnen zuletzt noch untergekommen und nach tüchtigem Kopfzerbrechen nicht unverstanden geblieben. Selbst heute, wo es seine Leute längst in alle Winde zerstreut habe, empfinde er unweigerlich einen süß-schmerzlichen Stolz auf ihr kollektives Können, sobald ihn bei einem Gläschen Alt-Alkohol die Erinnerungen übermannten.
    «Hatten Sie Erfolg?»
    Umann nahm einen großen Schluck des starken, inzwischen fast bitter gewordenen Schwarztees und nickte. Obwohl ihnen die Amerikaner und die Russen,

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