Die Zukunft des Mars (German Edition)
Weltraumfahrzeugs, die beiden Figürchen auf diesem sehr bequem aussehenden orangen Sofa ganz oben in der Spitze, das seien doch bestimmt Alide selbst und ihre Mutter. Wohin die Reise denn gehen solle. Zum Mond? Oder gar noch weiter? Ob sie zufällig wisse, welcher Planet für Kosmonauten, für ein mutiges Raketenmädchen wie sie und für ihre wackere Raketenmutter, als nächstgelegenes Ziel in Frage komme?
Nicht ohne Stolz beobachtete Elussa, wie unbefangen und gewandt sich ihre Tochter mit dem Alten unterhielt. Als Spirthoffer ihr gestern mitgeteilt hatte, dass er die kommenden Vormittage mit dem leidigen Flugfunkgerät beschäftigt sein werde, weil ihm der anspruchsvolle Apparat seine beste Konzentration, also die gedankliche Frische der Morgenstunden abverlange, hatte sie befürchtet, er suche nach einem Vorwand, den Unterricht zu unterbrechen und womöglich ganz auslaufen zu lassen. Aber dann hatte er vorgeschlagen, die tägliche Doppelstunde bis Weihnachten auf den späten Nachmittag zu verlegen. Es mache ihm gar nichts aus, wenn sie ihr Töchterchen mitbringe. Im Gegenteil: ein Kind, das mit blanken Augen über seinen Hausaufgaben sitze, emsig in sein Schulheft kritzle, sei genau der richtige Ansporn für einen hartköpfig gewordenen Schüler wie ihn. Und auch für einen behüteten Heimweg durch die Dunkelheit wolle er sorgen. Sein Nachbar, der Libanese, habe eine Handvoll ausnahmslos anständiger Söhne gezeugt und verfüge zudem über einen uralten, aber einigermaßen verlässlichen Lieferwagen. Zumindest für dessen Elektronik und Elektrik, zuletzt habe er Heizung und Gebläse von den Toten auferstehen lassen, lege er jederzeit seine Hand ins Feuer.
So kam es, dass sie zu dritt an Spirthoffers langem Arbeitstisch saßen. Alide rechnete und bewegte dazu lautlos die Lippen. Mathematik war nicht ihre Stärke, und zu Hause hätte sie versucht, Elussa zum Mittun zu überlisten. Vor Spirthoffer wollte sie sich aber offensichtlich keine Blöße geben, und Elussa sah, wie sie die Hände unter den Tisch schob, wenn sie, was ihr eigentlich streng verboten war, bei schwierigen Aufgaben die Finger zu Hilfe nahm.
Spirthoffer hatte sie gebeten, die Grammatikübungen, die sie vorbereitet hatte, auf das nächste Mal zu verschieben. Er habe heute Morgen, auf der Suche nach einem funktechnischen Handbuch, eine echte Kuriosität entdeckt: Etwas Spiritistisches! Ob sie zufällig wisse, dass bedeutende Gelehrte lange die Ansicht vertreten hatten, der Weltraum sei nicht leer, sondern von einer geheimnisvollen Substanz, dem sogenannten Äther erfüllt. In esoterischen Kreisen habe sich dieser prächtige Irrtum bis weit ins vorige Jahrhundert, bis in die sowjetische Ära hinein gehalten und erstaunliche Denkblüten getrieben. Wenn ihn ein erstes Hineinlesen nicht trüge, verstehe sich der Verfasser dieses russischen Traktats darauf, nicht nur äußerst scharfsinnig zu argumentieren, sondern nahezu poetisch, tief beseelt, ja ekstatisch von diesem kosmischen Fluidum zu schwärmen.
Natürlich hatte seine schöne Lehrerin sogleich angebissen. Und als er sie dann noch gebeten hatte, ihm den ersten Abschnitt, in dem, soweit er dies beurteilen könne, alle syntaktischen Register gezogen würden, ganz langsam vorzulesen, damit er den Stil erst einmal rhythmisch genießen könne, hatte sie ihm den Gefallen mehr als nur bereitwillig getan. Wie leicht sich Frauen doch von derartigem Wortgeklingel beeindrucken ließen. Und wenn dann auch noch ein exquisites Bild, eine szenische Schwindelei, aus dem Klang erstand, war es im Nu um ihre kostbarsten Tugenden, um ihr bodenständiges Beobachtungsvermögen, ihr kerngesundesUrteil in Fragen von Maß und Verhältnis und nicht zuletzt um ihren pragmatischen Zugriff auf alles naheliegend Zukünftige, geschehen.
Aber ließ sich über die meisten Männer Besseres sagen? Auch ihre geschlechtlichen Talente erlagen der Kunst. Sogar der solide Juri wäre ihm damals im Turm, ästhetisch berauscht, um ein Haar aus dem Ruder jeder männlichen Logik gelaufen. Als das orange Licht stark genug war, sah Spirthoffer ihn tief geduckt auf dem Betonboden hocken, die hoch erhobene Pistole in beiden Händen. Don Dorokins Chefelektroniker bebte am ganzen Leib. Beschreiben, Erzählen, vielleicht sogar schnödes Erklären tat not. Also begann er in beruhigend beiläufigem Ton dasjenige in Sätze zu fassen, was für sie beide in ähnlich banaler Weise zu spüren und zu sehen war und dennoch, da es einem von ihnen zum
Weitere Kostenlose Bücher