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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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das kuriose Ungeschick widerfahren war. Schon in der Tür stehend, hatte Dorokin noch einmal begeistert wiederholt, wie froh er sei, endlich den Richtigen gefunden zu haben, um Spirthoffer gründlich auf den Zahn zu fühlen. Auch wenn der Greis wider Erwarten doch nicht mit dem Weißen Khan oder dem Alten Ogo konspirieren sollte, irgendein Geheimnis, vielleicht bloß eine lausige kleine Heimlichtuerei sei mit seinem Elektronischen Hospital verbunden. Dieser Umann habe ein Ohr für alles, was sich in scheinbar harmlosem oder wirrem Gerede verberge. Inbrünstiges Hinlauschen mit stocknüchternem Heraushören zu verschränken sei einst sein tägliches Geschäft gewesen,dergleichen verlerne man nicht. Er rechne schon bald mit ersten Ergebnissen.
    Hu war es nicht leichtgefallen, ein Lächeln zu unterdrücken. Dorokins Vertrauen in die Fachleute der Guten Alten Zeit hatte etwas Rührendes. Gleich für die erste Woche im neuen Jahr war eine Zusammenkunft aller bis dahin eruierbaren Schornsteinfeger geplant. Und irgendwann im Sommer sollte es dann auch zu dem kommen, was der Don bereits ein Weile mit unerbittlicher Begeisterung seinen ersten medizinischen Kongress nannte. Hu lag die Liste der bis jetzt ausfindig gemachten Ärzte vor, es waren nicht einmal zwei Dutzend. Aber wie es ein Spotteufelchen der Zeitläufte wollte, war auch ein Name darunter, der ihr für den Rest ihrer Tage unvergesslich bleiben würde: jener Chirurg, mit dem sie als junge Frau gleich nach ihrer Ankunft in der Stadt ein Weilchen liiert gewesen war. Geschickt, fast bubenhaft frech hatte er ihr, der falschen Krankenschwester, einst dabei geholfen, die ersten Klinikwochen zu überstehen, hatte ihre blanke Unkenntnis gedeckt, bis sie sich auf der Station, bei ihren mehr oder minder echten Kolleginnen, genügend abgeguckt hatte, um allein über die Runden zu kommen.
    Frau Doktor Hu zog die Schublade ihres Schreibtischs auf und holte ihr Schminkzeug heraus. Im Vergrößerungsspiegel betrachtete sie das Muttermal zwischen Nasenflügel und linkem Mundwinkel. Zwei, vielleicht sogar drei Jahrzehnte lang hatte der dunkle Fleck ihrer ein wenig schmal geratenen Oberlippe durch seine perfekte Tropfenform in den Augen der hiesigen Männer einen Anflug exotischer Sinnlichkeit verliehen. Das mokkafarbene Fehlgewebe hatte seit jenen fernen Krankenhaustagen zwar nicht an flächiger Ausdehnung, aber doch deutlich an Höhe gewonnen. Wenn der alte Knabe inzwischen nicht dreiviertelblind war, würde er sie wohl, sobald er ihr aus kurzer Distanz ins Gesicht sah,an diesem die Jahre überbrückenden Zeichen wiedererkennen.
    Über den blanken Rand des Spiegels, über die freie Platte ihres Schreibtischs fiel ihr Blick erneut auf den Hocker. Sie hatte versäumt, ihn wieder aufzustellen. Da war, ganz oben, unmittelbar unter der Sitzfläche, etwas an die Innenseite eines Stahlbeins geheftet. Obwohl sie dergleichen nie zuvor gesehen hatte, begriff sie sofort, worum es sich handeln musste. Sie staunte über die angstvolle Heftigkeit ihrer Überraschung, verstand jedoch im selben Moment, dass dieses Erschrecken so gut wie nichts mit dem Umstand zu tun hatte, dass ihr Untersuchen und Behandeln, ihr Befragen und Anordnen belauscht worden war. Selbst wenn man ihre einsamen Selbstgespräche, leis gemurmelte, rhythmisch wiederholte obszöne Flüche, kompiliert aus den drei europäischen und den beiden asiatischen Sprachen, die sie beherrschte, mitgehört, aufgezeichnet und recht scharfsinnig analysiert haben sollte, wäre dies kein Grund zur Sorge.
    Sie stand auf, um sich die Wanze aus der Nähe anzusehen. Als sie das Zylinderchen abzog, spürte sie den Widerstand des Magneten, der stark genug gewesen war, sich auch dann noch am Hocker festzuhalten, als dieser über den Fußboden polterte. Sie respektierte diese Kraft. Und derselbe Respekt, fast eine Art Ehrfurcht hatte gleich im allerersten Moment des Erkennens auch der Trennschärfe des winzigen Mikrofons und der Übertragungsleistung des Senders gegolten. Achtung und Erschrecken gehörten zusammen. Frau Doktor Hu lachte, fluchte, so laut sie konnte, in ihrer Muttersprache und dachte daran, dass nun irgendjemand genau dieses Fluchen und Lachen hören konnte. Wie schön, wie schaurig schön, dass es, weiterhin oder erneut, Kerle gab, die dergleichen Schabernack nicht nur planten, sondern auch in Werk und Tat umzusetzen vermochten.
    Selbstverständlich hatte ihr erster unwillkürlicher Verdacht Juri und dem Don gegolten. Aber die

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