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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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betriebsbereit. Der Turm, genauer gesagt dessen Innenverkleidung, garantiere einen erstaunlichen Empfang. Selbstverständlich verfüge das Gerät über einen automatischen Suchlauf, einen überaus feinfühligen Scanner. Aber weit schöner sei es doch, die erhofften Signale, das verheißungsvolle Knacken und Knistern und schließlich das ersehnte sphärische Hin und Her märchenhaft abgemagerter menschlicher Stimmen hier, an diesem großen geriffelten Knopf, selbst zu erkurbeln. Nur zu! Keine laienhafte Scheu! Den Kopfhörer über die Ohren! Umann werde überrascht sein, was selbst heute noch auf den einst abertausendfach bewisperten Pfaden erwogen, besprochen und über die Köpfe der ahnungslosen Zeitgenossen hinweg ausgeheckt werde.
     
    «Wie alt bist du, Opa Spirthoffer?», fragte Alide, den Mund voller Christstollen, holte sich, ohne zu fragen, das allerletzte Stück auf den Teller und schob, als habe sie den tadelnden Blick ihrer Mutter nicht bemerkt, ein noch keckeres «Du bist bestimmt schon hundert Jahre alt!» hinterher.
    «Kannst du überhaupt schon bis hundert rechnen?», entgegnete Spirthoffer, bevor Elussa eingreifen konnte, und weil Alide nickte, machte er die Probe aufs Exempel, vorsichtshalber mit der einfachsten Addition, die ihm hierzu einfiel, um das bescheidene mathematische Vermögen der Kleinen bloß nicht zu überfordern.
    Es war ihr vorletzter Unterricht vor Weihnachten, und er hatte Elussa gebeten, es noch einmal bei schlichter Konversation bewenden zu lassen. Jenes verflixte Funkgerät habe ihn erneut fast die ganze Nacht gekostet, von der Behebung allerletzter Probleme, von der aufwendigen Ausmerzung hartnäckiger Interferenzen brumme ihm noch immer der Schädel. Heute Vormittag habe der Besitzer das Gerät abgeholt. Er sei heilfroh, das Ding vor den Feiertagen wieder losgeworden zu sein. Der Christstollen stamme übrigens vom Eigentümer des Apparats, er hoffe, dass der gute Mann nun restlos glücklich, quasi weihnachtsfroh mit dem betriebsbereiten Kasten werde.
    Elussa fragte ihn, was sich denn eigentlich damit empfangen lasse, und Spirthoffer meinte abwinkend, bloß das, was auch die Antennen auf der Dreifaltigkeitskirche aus dem Äther saugten: den Funkverkehr, den die LK W-Konvois auf dem Weg an die Grenze der Asiatischen Union mit den Schutz- und Tankstationen der jeweiligen Machthaber in den Protektoraten unterhielten, die beiden evangelikalen Radiostationen, die vermutlich von Schiffen in der Ostsee sendeten, dazu bei günstiger Wetterlage das Zwitschern der chinesischen Militärkommunikation an der Wolga, und natürlich das nervöse Knattern des Don-Mobilfunks, überlagert von den frequenznahen Netzen des Alten Ogo und des Weißen Khan.
    «Und Amerika? Kann man auch die Amerikaner hören, Opa Spirthoffer?» Den Schopf wieder über ihre Hausaufgaben gebeugt, eifrig mit dem Bleistift schabend und noch eifriger mit dem Radiergummi rubbelnd, hatte Alide zugehört, und Spirthoffer sah an Elussas Gesicht, wie überrascht sie war, dass die Kleine ihr mit just dieser Frage zuvorkam.
    Er wusste, die beiden hatten die Wohnung von Elussas Bruder übernommen und hofften inständig, dieser sei heilnach Nordamerika gelangt. Eine Nachricht, die alle diesbezüglichen Sorgen aus der Welt geschafft hätte, hatte Elussa allerdings bislang nicht erhalten. Der Postverkehr über den Atlantik war äußerst unzuverlässig. Er wurde von den Eignern der Schiffe, die in der Regel auch deren Kapitäne waren und von der Beförderung der Auswanderer lebten, als kleiner, vielleicht sogar lästiger Nebenerwerb betrieben. Ein Brief, der nicht im Hafen gegen Gebühr ausgelöst wurde, besaß wohl keine Chance, seinen Adressaten in den Binnenterritorien zu erreichen. Die wundersamen amerikanischen Neuigkeiten, die der Don ab und zu im Lichtradio zum Besten gab, kamen in der Regel nicht von den europäischen Küsten, sondern aus dem Osten. Und niemand in der Stadt konnte wissen, ob sich Gehalt und Gestalt dieser Botschaften während der Pazifiküberquerung und auf den Etappen des anschließenden Landwegs nicht in etwas weitgehend oder vollends Märchenhaftes verwandelt hatten.
    Spirthoffer war geneigt, den Wirklichkeitswert der allerneuesten, besonders anrührenden Meldung als nicht sehr hoch einzustufen. Mit hellem Tremolo, fast singend, hatte Dorokins Radiostimme kundgetan, die legendäre Freiheitsstatue sei von enthusiastischen Immigranten und von einheimischen Überlebenden des Ewigen Winters mit einem mächtigen

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