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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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hatten gewiss keinen Gedanken an die Schwere der einzelnen Stangen verschwendet. Juri hingegen machte Nickmüller weiterhin Sorgen.
    Als sie beim Mobilfunkmast vor den zurückgelassenen Fluggeräten gestanden waren, hatte Juri nach einer der dünnen Fiberglas-Gerten gegriffen und ihre Biegsamkeit geprüft. Dann stocherte er noch ein beunruhigend langes Weilchen mit der Schuhspitze in den Teilen, hebelte dabei auch einen der dickeren, einen der auffällig gewichtigen Stäbe in die Höhe, balancierte ihn auf der Schnürung seines Militärstiefels und fragte dann, warum die Fliehenden sich wohl noch die Zeit genommen hatten, die Schirme nicht nur übereinander zu werfen, sondern sogar noch darauf herumzutrampeln. Zum Glück war Juri nicht auf die Idee gekommen, eines der Gestelle an Ort und Stelle wieder zusammenzusetzen. Obwohl er kein Mechaniker war, hätte sein technisch geschultes Auge schnell bemerkt, dass ausgerechnet die beiden Stangenstücke mit dem größten Durchmesser unverwendbar gewesen wären.
    Erst als Nickmüller das Zeug aus der Aufzugkabine gezerrt hatte und an einem Werkstattisch die grauen Perlen des Plastiksprengstoffs aus der ersten Fiberglasröhre rieseln ließ, meldete sich sein Hüftgelenk zurück. So gnadenlos hell und heftig, dass er die Arbeit unterbrechen musste und japsend auf einen Hocker sank. Er machte die Atemübungen, die ihm die Leibärztin des Don beigebracht hatte, und kämpfte die Versuchung nieder, sich eine der Kräuterzigaretten anzustecken, von denen er sich jede Woche sieben Stück abholen durfte und die ihm nicht nur ein schmerzloses Einschlafen, sondern zudem erstaunliche Träume bescherten. Seit er das Kraut von Frau Doktor Hu rauchte, spielten die nächtlichen Geschichten an Orten, die er im Wachleben nie gesehen hatte. Und schöner noch als diese Erfahrungsferne war die Ichlosigkeit der Nachtgespinste. Er selbst kam in ihnen überhaupt nicht vor, weder als alter Kerl noch als junger Mann. Ja, nicht einmal der ängstlich einsame Knabe, in dessen blasser Haut er allzu lange gesteckt hatte, musste darin als handelnde Figur auftreten und irgendetwas bewerkstelligen oder erleiden.
    Nickmüller versuchte sich an den letzten Traum zu erinnern. Ein grauer Kasten aus schorfig oxidiertem Aluminium, etwas größer als ein Schuhkarton, war darin vorgekommen. Eine junge Frau hatte eine Kurbel an der Seite des Kästchens, dann dessen Deckel abmontiert und dabei ihr Tun erläutert, als würde, während sie sprach, ein Lehrfilm aufgenommen, der späteren Zuschauern die Bauart des Apparats erklären sollte. Im Traum hatte es auch zwei Zuhörer oder Schüler gegeben, zwei ungewöhnlich hässliche, dickköpfige Burschen, deren Fingerspitzen immer wieder tollpatschig in das geöffnete Gerät hineinstupsten, als wollten sie leibhaftig spüren, welches Teil wie stark von Strom durchflossen wurde. Er selbst war bloß als ein körperloses Hinschauen dabei gewesen. Aber er erinnerte sich deutlich,wie wohlig sich dieser Blick erwärmt hatte, während er die Batterie des Kastens, einen orangen, steinähnlichen Klotz, neugierig näher zoomend, in Augenschein nahm.
    Plötzlich begriff Nickmüller, wovor er sich am meisten fürchtete. Es war gar nicht die Enttarnung durch einen misstrauisch gewordenen Juri und deren gewiss brachiale Folgen. Er hatte unmäßige Angst, weil er die anstehende Sprengung nun in schlimmer Vereinzelung allein verantworten musste. Vorhin, an der Fahrzeugschleuse, hatte sein Dialogischer Bruder durch die getönte Scheibe eines langsam rollenden Don-Cars mit unbewegter, mit anrührend beherrschter Miene zu ihm herübergeschaut. Ein kleiner Konvoi, gleich fünf vollbesetzte Fahrzeuge, rückte aus. Nicht nur Juri, sondern auch Frau Doktor Hu und dann sogar den Don höchstpersönlich hatte er in einem der Wagen ausmachen können. Offenbar brach man zu einem außerordentlich wichtigen Einsatz auf. Irgendetwas Dringliches, an dem die besten Kräfte der Dreifaltigkeitskirche mitwirken mussten, war kurzfristig anberaumt worden und hatte seinen Bruder, als einfachen Hilfstechniker in Juris Team, so jäh überrascht, dass sich keine Gelegenheit mehr ergab, ihn davon zu unterrichten. Aber zumindest hatte er den Moment des Vorüberfahrens genutzt: Beide Hände hielt sich sein Dialogischer Bruder kurz unter das Kinn: Daumen, Daumenmulde und Zeigefinger jeweils zu einem halben Kreis gekrümmt. Den Daumenfingernagel der Linken so auf die Zeigefingerspitze der Rechten gelegt, dass sich ein

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