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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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Vorstellung, dass der wackere Techniker seinem Chef von irgendeiner Speichermaschine vorspielte, wie er sich, sechs gläserne Schröpfköpfe auf den verkrampften Schultern, über just dessen anspruchsvolle Erwartungen beschwerte, war schlichtweg albern. Und Dorokin, der große Stücke auf Juri hielt, hatte sich heute erst bei ihr beklagt, dass der allzu empfindlich reagiere, wenn es galt, die Kenntnisse anderer Spezialisten im Feld seiner Tätigkeit zu berücksichtigen. Beide, Juri wie der Don, schütteten gern das Herz bei ihr aus. Weder dem einen noch dem anderen konnte daran gelegen sein, das im flüchtigen Moment so wohltuend entlastende Bekenntnis technisch reproduzierbar zu machen. Diese Wanze war von außen eingeschleust worden.
    Umann hatte die Klasse, dergleichen zu riskieren. Aber als man ihn gefesselt zu ihr hereingeführt hatte, war ihm die Überraschung über seine Festnahme noch ins kalkweiße Gesicht geschrieben gestanden, und im Verlauf der medizinischen Untersuchung blieb dann, wie sie es sich zur lieben Gewohnheit gemacht hatte, kein mechanisch zugänglicher Winkel seines Körpers unerforscht. Hu überlegte, wer in den letzten Wochen und Monaten auf diesem Hocker Platz genommen hatte, ohne dass er zuvor splitternackt, mit erhobenen Händen und gespreizten Beinen vor ihr gestanden hatte. Ein Wachmann, der sich die Hand an einer rostigen Kofferraumklappe aufgerissen hatte, fiel ihr ein. Aber der tumbe Kerl kam wohl ebenso wenig in Frage wie die junge Frau, die in der Warteschlange der Bittsteller zusammengesackt war, um kaum ein Viertelstündchen später auf der Lederliege am Fenster ein plärrendes Bübchen in die Welt und in Dorokins Reich zu entlassen.
    Vielleicht konnte Juri messen, wie erschöpft die Batterie des Lauschgeräts schon war, und daraus auf die Dauerseines Hierseins schließen. Sie drehte die Wanze prüfend in den Fingern. Das silbrig beschichtete Gehäuse zeigte fast die gleichen braunroten Rostpünktchen wie die verchromten Beine ihres Untersuchungshockers. Hu dachte an die Fähigkeit bestimmter Parasiten, sich der Oberfläche ihres Wirts in Farbe und Muster anzupassen. Überhaupt wirkte die fleckige Beschichtung, je länger sie ihr wirres Muster betrachtete, immer mehr wie Haut, wie Hautgewebe, das im Verkehr mit der Zeit Glätte und Gleichförmigkeit wegtauschte, bis fehlerhaft reproduzierte Zellen die Oberhand gewannen und eine Topographie neuartiger Qualität entstand. Das Hässliche, sogar das Garstig-Hässliche besaß, so es nur hartnäckig fortlebte, eigenen Zauber.
    Aber sie wollte nun keine Zeit mehr mit romantischem Sinnieren vergeuden, sondern sogleich zu Dorokin hinübergehen. Der Don war ein Machthaber von Format. Das zeigte sich nicht zuletzt daran, dass er ein Gespür dafür hatte, wo man den Dingen ihren Lauf und den Menschen ihre kleinen kindischen Freiheiten lassen musste. Jetzt jedoch würde sie ihren Dienstherrn vor der Findigkeit eines alten Knaben warnen müssen, der sich eindeutig eine närrische Freiheit zu viel herausgenommen hatte. Hu war sich sicher, Dorokin würde, von ihr in Kenntnis gesetzt, nicht zögern, diesem frechen Greis, diesem tollkühnen Bastler, Herzschwäche hin, Herzschwäche her, das Mützchen vom neunmalschlauen Schädel zu schlagen.
     
    Nickmüller war Angst gewohnt. Nicht zum ersten Mal rechnete er damit, als Betrüger entlarvt zu werden. Aber zu welch geheimer Extragröße seine diesbezüglichen Befürchtungen in den letzten Tagen angewachsen waren, verriet ihm nun der Umstand, dass ihm sein kaputtes Hüftgelenk, während er die Treppe in den Werkstattkeller der Dreifaltigkeitskirche hinunterstieg, kein bisschen wehtat. Er ließdas Geländer los, belastete das linke Bein, wie er es lange nicht gewagt hatte, und fühlte bloß ein gespenstisch vages Schlackern, ein mechanisches Spiel dort, wo in den letzten Jahren unweigerlich ein elektrisch greller Schmerz aufgeflammt war, sobald ihn leidige Verhältnisse gezwungen hatten, zügig zu hinken oder sich Stufen hinauf- oder hinabzuquälen.
    Er hörte das Quarren des Lastenaufzugs. Juri und er hatten den uralten Lift wieder in Gang gebracht, aber sie waren sich einig, dass man ihn nicht zur Personenbeförderung benutzen durfte. Auch für den Transport von Gegenständen galt ein Sicherheitshöchstgewicht, denn der rettungslos verrosteten Führung der Stahlseile war nicht zu trauen. Die Wachleute im Hof, von denen die Gleitschirme vorhin auf seine Anweisung in den Aufzug gelegt worden waren,

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