Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)
Raum ab, Szenen, wie man sie sonst nur aus dem
Fernsehen kannte: Dies passte dem Mann nicht, das passte ihm nicht, jenes
wollte er geändert haben …
Jonas hatte die ganze Zeit das Gefühl, in eine
Telenovela geraten zu sein. Auf der einen Seite des Schreibtischs Kordula, die
sich dem Feind tapfer entgegenstemmte, und auf der anderen der Investor, der
ohne Skrupel seine Machtspielchen mit ihr betrieb. Dabei hatte sie echt Ahnung,
was die gestalterischen Aspekte des Projekts betraf. Auch mit den
technisch-konstruktiven und rechtlichen Sachen kannte sie sich bestens aus.
Aber das nützte ihr gar nichts. Der Kerl wollte toben. Also tobte er.
Im Laufe der Zeit schien es immer enger zu
werden in dem schicken Büroloft. Als Jonas dann auch noch die Stirn hatte,
Herrn Leonhard in einer Kleinigkeit zu widersprechen, rastete der komplett aus.
Nicht mal seine rechte Hand, der bedauernswerte Mensch, der für die Ausschreibung,
die Projektsteuerung und die Bauleitung zuständig war, konnte ihn wieder
beruhigen.
„Jungejunge“, sagte Jonas, als Kordula
und er den Schauplatz des Geschehens verlassen durften. „Da musstest du dir ja
Einiges anhören. Wie kommt es, dass du so ruhig geblieben bist? Einmal hast du
sogar gelächelt. Ich wäre am liebsten aufgestanden und hätte dem Kerl die
Fresse poliert.“
„Nana“, sagte Kordula und machte eine mahnende
Handbewegung.
„Ist doch wahr“, sagte er. „Das ist nicht
normal, dass wir von solchen Leuten abhängig sind.“
„Da hast du recht. Schön ist das wirklich
nicht. Aber man gewöhnt sich dran. Der Mann muss sich halt immer erst
aufblasen, wenn er seine Geschäftspartner trifft. Irgendwann lässt er den Dampf
auch wieder ab, und dann kann man normal mit ihm reden.“
„Der hat doch keine Ahnung von Architektur.“
„Du solltest ihn nicht unterschätzen. Er hat
das Fach zwar nicht studiert, aber wenn du ihm einen Plan vorlegst, kann er den
schon lesen. Das bringt der Beruf so mit sich. Er macht einen auch auf viele
Sachen aufmerksam. Die Leerrohre in der Decke zum Beispiel, durch die man
nachträglich Strippen ziehen kann … An die hätte ein Laie nicht gedacht.“
„Daran haben wir doch gedacht.“
„Das darfst du ihm aber nie sagen. Er war derjenige, der uns darauf hingewiesen hat,
und fertig. Als Architekt musst du vernünftig sein und für deine Kunden
mitdenken, vor allem bei den Präsentationen. Widersprich ihnen nicht. Sag
immer: Ja, machen wir, guter Tipp. Bleib ruhig und gelassen, egal, wie sie sich
aufführen. Bloß keine Animositäten.“
„Aber …“
„Nichts aber“, sagte Kordula. „Bei der miesen
Auftragslage hast du keine andere Wahl, als klein beizugeben. Außerdem“, fügte
sie hinzu, „ist in meinen Augen nicht Herr Leonhard das Problem, sondern seine
rechte Hand. Der Mann ist mit der Bauleitung komplett überfordert. Und wenn er
nicht bald mit den Fachplanern rüberkommt, stockt es auch bei uns.“
Darauf wusste Jonas nichts mehr zu erwidern.
Kapitel
7
Maries Knie war
inzwischen so dick, heiß und voller Wasser, dass sie es kaum noch bewegen
konnte. Und wenn sie es doch tat, kam es ihr vor, als schlüge ihr jemand einen
Knüppel in die Kniekehle und wolle sie zu Fall bringen. Selbst das Tragen der
Bandage war eine Strapaze. Wenn sie es überhaupt noch schaffte, sich auf den
Beinen zu halten, spürte sie bei jeder Bewegung ein quälendes Reiben und
Klicken im Knie, das sich im Laufe des Tages zu einem rasenden Mahlen und
Knirschen steigerte. Wobei sich der genaue Ort der Schmerzen gar nicht
lokalisieren ließ. Ihr Gelenk jaulte nur jedes Mal auf, wenn sie es benutzte.
Was war, wenn es sie und ihren Betrieb im wahrsten Sinne des Wortes zu Fall
brachte? Das wäre nicht auszudenken.
Allmählich packte sie die Verzweiflung. Obwohl
in ihrer Situation selbst Türschwellen und Treppenhausläufer zur Stolperfalle
wurden, schleppte sie sich weiter hin und her und treppauf und treppab. Sie
musste funktionieren, sie musste es einfach. Nicht nur ihre Gegenwart hing
davon ab. Auch ihre Zukunft.
Abends war sie immer völlig fertig. Trotzdem
konnte sie nachts schlecht schlafen. Was wiederum grausame Morgenstunden nach
sich zog. Dann war es fast unmöglich, aufzustehen. Bleierne Müdigkeit wollte
sie niederringen und auf der Matratze festhalten. Wenn sie sich dann doch mit
aller Kraft am Nachttisch hochhangelte, schlotterten ihre Muskeln so sehr, dass
auch ihre Nerven bibberten. Normalerweise war sie eine Frau, die schon morgens
beim
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