Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)

Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)

Titel: Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Steen
Vom Netzwerk:
was?“
    „Vom Vorstand.“
    „Aha.“
    Danach war es eine Weile still. Jonas hielt
seine Schneckenzange in die Höhe, und Marie fingerte weiter an den Salzkrümel
herum. Bis ihr auffiel, dass sie ein Herz mit Strahlen drum herum gemalt hatte.
Da fegte sie das Zeug rasch vom Tisch.
    „Mann Jonas, bist du so naiv oder tust du bloß
so?“, fragte sie, hob den Kopf und sah ihm in die Augen. „Mein Vater war ein
Wirtschaftsboss, ein Konzernchef, ein Generaldirektor , und seine Hauptbeschäftigung war es,
Subventionen abzuzocken, Leute rauszuschmeißen und Aktionären den Hintern zu
küssen. Zur Abwechslung hat er auch mal die Umwelt zerstört oder Arbeitsplätze
nach Asien verlegt. Hab ich noch was vergessen? Ach ja, das mit der Untreue.
Aber die konnten sie ihm nie nachweisen, obwohl sie unsere ganze Villa auf den
Kopf gestellt haben. So, jetzt hab ich’s gesagt, jetzt weißt du’s.“
    „Welche Branche?“, fragte Jonas, schob seinen
Teller zurück und legte die Zange auf das Tischtuch.
    „Sag ich nicht.“
    „Nun komm schon, Marie. Zier dich nicht so.“
    „Nein.“
    „Ich will die Firma wissen, sofort. Außerdem
hast du damit angefangen.“
    „Also gut“, sagte Marie, beugte sich über den
Tisch und flüsterte ihm den Namen ins Ohr.
    „Doch nicht der Automobilzulieferer!?“, sagte
er und riss die Augen auf. „Den kenn ja sogar ich.“
    „ Pssst! Nicht so laut! Die anderen Gäste kennen mich
nicht, und das soll auch so bleiben.“
    „Was ist denn los?“
    „Hier sind überall Leute, und die Wände haben
Ohren. Der Typ dahinten guckt auch schon her.“
    „Leidest du etwa unter Verfolgungswahn?“
    „Manchmal schon.“
    „Ist das nicht übertrieben?“
    „Von wegen. Vor 20 Jahren haben sie meine Oma
entführt, direkt aus der Seniorenresidenz. Mein Vater musste sie für sechs
Millionen wieder auslösen. Du glaubst nicht, wie sauer ihn das gemacht hat. Sie
war doch schon 80 und außerdem noch stocktaub und dement. Da fällt die
Kosten-Nutzen-Analyse nicht mehr so günstig aus.“
    „Gütiger Gott! Marie, was redest du da?“
    „Ich bin noch nicht fertig. Ein Jahr später war
ich dran, und ich hab zwölf Millionen gekostet. Aber da mein Vater gerade einen
fetten Bonus kassiert hatte, war das kein Problem.“
    Jetzt fiel Jonas endgültig der Unterkiefer
herunter.
    „Du lässt ja eine Bombe nach der anderen los“,
sagte er. „Was haben sie mit dir gemacht? Die Entführer, meine ich?“
    „Darüber möchte ich nicht reden.“
    „Natürlich. Das versteh ich, das versteh ich
vollkommen. War nur so eine Frage. Wurden sie denn geschnappt?“
    „Nein.“
    „Dann kann das also jederzeit noch mal
passieren.“
    „Mit denen? Glaub ich nicht. 18 Millionen sind
doch mehr als genug. Aber es gibt natürlich Trittbrettfahrer. Die gibt’s
überall.“
    „Hast du … hast du Angst davor?“
    „Früher ja. Zum Beispiel, wenn mein Vater mal
wieder auf der Titelseite von ’ner Wirtschaftszeitschrift war. Heute nur noch,
wenn jemand meinen Namen laut durch die Gegend trötet.“
    „’tschuldigung, das wollte ich nicht. Mensch
du, Marie … Ich weiß jetzt gar nicht, was ich sagen soll. Du hattest ja nicht
gerade eine normale Kindheit.“
    „Bei mir war nichts normal. Deshalb musste ich
da auch raus. Am Tag nach meinem 18. Geburtstag hab ich den ersten Mietvertrag
unterschrieben, und seitdem hab ich kein Geld mehr von meinen Eltern
angenommen. Es war nicht immer leicht, aber ich hab’s geschafft: Seit zwölf
Jahren steh ich auf eigenen Füßen.“
    Marie sah, dass es immer noch in Jonas
arbeitete.
    „Sprecht ihr noch miteinander?“, fragte er dann.
    „Ja klar. Aber seit mein Vater Privatier ist,
leben sie in der Schweiz. Wir sehen uns nur noch selten. Erst waren sie froh,
dass ich es bis zum Abitur geschafft hab. Dann waren sie erschüttert, dass ich
Zoologie studieren wollte. Es folgte: Erleichterung, dass ich promoviert hab,
Ratlosigkeit, dass ich keinen Job finde, Entsetzen, dass ich Dogwalkerin
geworden bin, und Befremdung, dass ich mit 30 noch keinen solventen und
erfolgreichen Partner gefunden hab. Unverheiratete, kinderlose Singles ohne
geregeltes Einkommen sind ihnen ein Grauen. Ich werd’s ihnen wohl nie recht
machen können.“
    „Sie sorgen sich halt um dich, und sie haben
Angst, dass du wieder unter die Räder kommst.“
    „Ja, deshalb hatte mein Vater mir nach der
Entführung auch einen Leibwächter verpasst: Oleg Bukharov alias Iwan der
Schreckliche, ein gebürtiger Russe. Vormittags

Weitere Kostenlose Bücher