Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)
gegeben hätten. Meistens
ging die Sache gut für ihn aus.
Also entschuldigte sie sich wort- und
tränenreich bei dem Filialleiter für die Umstände, die sie ihm und seinem
Geldinstitut machte, und sagte dann in ungefähr 23 Versionen „bitte“.
Daraufhin betrachtete er eine Weile ihre
Kontoauszüge und schien zu überlegen, ob er so eine empfindsame Person, noch
dazu eine Akademikerin mit hervorragenden Aussichten, als Kundin verlieren
wollte. Offensichtlich nicht, denn er gab plötzlich nach und räumte ihr eine
weitere Galgenfrist ein. Es fehlte nicht viel, und er hätte noch ihren
Kreditrahmen erhöht. Aber das wollte Marie nicht, denn wenn er das Limit weiter
nach oben verschob, würde das auch bald wieder überschritten sein. 15 Prozent
Dispozinsen! Dazu fiel ihr nun wirklich nichts mehr ein.
Als sie die Filiale verließ, lehnte sie sich
hinter der nächsten Straßenecke an eine Hausmauer und fing an zu weinen. So
weit war es also mit ihr gekommen. Jetzt log sie auch noch und taktierte und
machte Schulden. Okay, von Letzteren lebten die Banken, aber es war trotzdem
ekelhaft und entwürdigend für den, der sie machen musste. Und es bedeutete auch
nur einen Aufschub. Demnächst würde es finanziell eng werden, sehr eng. Und
wenn dann noch der Bus schlappmachte … Das würde sie richtig Asche kosten.
Na super, Marie, dachte sie. Du stehst vor dem
Nichts. Du hast kein Geld, keinen Beruf, keinen Erfolg, kein Haus, keinen Mann
wie Jonas und kein Kind von einem Mann wie Jonas … Dabei hättest du das alles
so gern. Du bist ein Versager, und das wird sich auch nicht mehr ändern, denn
was man bis 30 nicht geschafft hat, schafft man nie. Bald wirst du ausgemustert
und abgewrackt. Dann bist du eine arme, alte, einsame, bemitleidenswerte Frau.
Eine, die irgendwann von den Nachbarn gefunden wird, weil es schon seit Tagen
im Treppenhaus stinkt. Und neben dir liegt der Hund, ebenfalls mausetot. Statt
zu heulen oder Alarm zu schlagen, hat er sich an dich gedrückt und ist
verdurstet.
Verdammt, verdammt, verdammt!, dachte sie. Soll ich jetzt auch noch auf den
Strich gehen, um mir neue Einnahmequellen zu erschließen?
Im Moment machte das Leben wirklich keinen
Spaß. Zumal die Sache mit Jonas nicht so lief, wie sie sich das erhofft hatte.
Ehrlich gesagt wunderte sie sich manchmal, dass er so viele weibliche Bekannte
hatte. Dauernd wurde er auf der Straße von irgendwelchen Frauen gegrüßt. Und
erst diese Nadine. Die war überhaupt das größte Problem.
Wenn Marie abends noch auf einen Sprung bei
Jonas vorbeischaute, saßen die beiden Exe oft schon zusammen und quatschten
über Gott und die Welt. Dann kam sie sich immer wie ein Eindringling vor.
Neulich zum Beispiel. Wie Jonas da mit Nadine
auf dem Sofa gehockt und ihr von der Privatvilla dieses Investors vorgeschwärmt
hatte. Das Wohnzimmer sah angeblich wie ein Bootsdeck aus. Nicht übel, der
Schuppen, hatte er immer wieder gesagt, nicht übel. Und wie er dabei noch
locker und unbefangen seinen Wein geschlürft hatte. Und wie Nadine ihn die
ganze Zeit hingerissen angesehen hatte. Die beiden schienen nach wie vor dicke
Freunde zu sein.
Die Erinnerung daran stach sich direkt in
Maries wundes Herz. Auch, weil sie selbst außer Bulli keinen richtigen Freund
vorzuweisen hatte. Aber das war es nicht allein. Da kam noch ein anderer
Zweifel in ihr hoch. Konnte es sein, dass Jonas nicht nur ein Womanizer und ein
Designverliebter war, sondern auch ein Gernegroß? Hatte er nicht auch diesen
Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Traum und wünschte sich nichts sehnlicher, als
endlich in der Schlossallee zu wohnen? Und betrachtete er sie, falls sie jemals
zusammenkommen würden, nicht doch als „standesgemäße Partie“, als „Trophäe“?
Obwohl … Noch hatte er sie ja nicht angebaggert. Das hatte diese Nadine zu
verhindern gewusst.
Marie hasste sie!
… und war von der Heftigkeit dieses Gefühls
selbst überrascht. Aber so war es nun mal: In ihr loderte eine rasende
Verbitterung auf, die sie kaum noch beherrschen konnte. Dieses Mädchen hatte
alles, was sie nicht hatte. Vor allem einen unerschütterlichen Optimismus,
gegen den Marie mit ihrer pessimistischen Ader nicht anstinken konnte. Während
sie sich ständig fragte, was in ihrem Leben falsch lief, schien Nadine mit sich
und der Welt im Reinen zu sein. Sie hatte eben alles, was sie zum Glücklichsein
brauchte: einen Exfreund, der sich immer noch liebevoll um sie kümmerte, einen
interessanten und unterhaltsamen Job
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