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Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)

Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)

Titel: Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Steen
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saß er vor meinem Klassenzimmer,
und nachmittags, wenn Bulli mich im Schwimmbad untergetunkt hat, ist er
hinterhergesprungen und hat ihm die Nase blutig gehauen. Was sagst du dazu?“
    „Dass du Othello auch an die kurze Leine
nimmst, wenn du ihn beschützen willst.“
    „Du findest es also in Ordnung, wenn Väter ihre
Töchter wie Hunde behandeln?“
    „So meine ich das nicht. Er war eben verrückt
vor Angst. Wärst du doch auch, wenn dein Kind entführt worden wäre und du
verzweifelt auf ein Lebenszeichen wartest.“
    „Du hast keine Ahnung, Jonas Frommberger. Du
weißt nicht, wie es ist, wenn ein elfjähriges Mädchen rund um die Uhr von einem
Mann bewacht wird, der vorher in einem Inkassobüro gearbeitet hat. Fünf Jahre!
So lange hat’s gedauert, bis mein Vater mich wieder vom Haken gelassen hat.
Danach ist das Leben weitergegangen. Allerdings nicht mehr so wie vorher.“
    „Was sagen sie denn zu deinem Gassiservice?
Deine Eltern, meine ich.“
    „Was glaubst du wohl!? Sie sind erbost, dass
ich so sauwenig geschafft hab im Leben. Ich hab keinen Beruf, keinen Mann,
keine Kinder und nichts zum Vorzeigen. So sieht’s aus. Wenn ich irgendwo
Zoodirektorin wäre … Ja, damit könnten sie leben. Das hat was mit Marketing und
Management und Prestige zu tun. Aber so …“
    „Ihr spielt nicht mehr in der gleichen Liga.
Das muss hart für sie sein.“
    „Mein Job ist auch hart“, sagte Marie, heftiger
als beabsichtigt. „Ich muss mich ständig auf fremde Leute einstellen, ich muss
hundertprozentig zuverlässig sein und kann nicht mal auf Klo gehen, wann ich
will.“ Dann atmete sie tief durch, und ihr Gesicht wurde wieder weicher.
„Andererseits: Je mehr Hunde ich um mich habe, desto besser geht’s mir. Ich
kann nicht genug von ihnen bekommen.“
    „Du Marie, ich bin sicher, dass deine Eltern
dich lieben.“
    „Ich hab nie behauptet, dass sie mich nicht
lieben.“
    „Lad sie doch mal auf die Freilaufwiese ein.
Vielleicht denken sie dann anders. Ehrlich gesagt würde ich sie auch gern
kennenlernen.“
    „Wozu? Du würdest sie nicht mögen, vor allem
meinen Vater nicht. Weil er derjenige ist, der über zwei oder drei Ecken an
deiner Misere schuld ist.“
    „Aber vor allem ist er doch dein Vater, und das
bleibt er dein Leben lang. Du liebst ihn doch, oder?“
    „Ja, und er liebt mich auch. Bei meiner Bat
Mitzwa hat er geweint, in der Synagoge, vor allen Leuten. Das hat er vorher
noch nie getan. Normalerweise kennt er bloß Emotionen, und die hat er unter
Kontrolle.“
    „Na bitte. Dann geh ihm einen Schritt entgegen.“
    „Er würde aber lieber über glühende Kohlen
laufen als mich auf der Hundewiese zu besuchen.“
    „Ich würde ihn trotzdem einladen, gleich
morgen.“
    „Wozu? Anfang September wollen meine Mutter und
er eh kommen.“
    „Du bist aber auch stur, Marie!“
    „Jetzt lass uns nicht immer nur über mich
reden. Was ist mit dir? Hast du auch irgendwelche Leichen im Keller?“
    „Mir geht’s im Prinzip wie dir, nur mit
umgekehrtem Vorzeichen. Meine Eltern denken auch, dass ich nicht ganz dicht
bin. Sie sind … naja, sie sind schon sehr speziell. Entweder haben sie zwei
oder drei Jobs gleichzeitig oder gar keinen. Und was sie auch tun: Sie kommen
nie auf einen grünen Zweig und arbeiten im Prinzip nur für das Ausbügeln ihrer
Schulden. Das Schlimmste ist, dass ihnen das nichts auszumachen scheint. Sie
kennen es nicht anders.“
    „Das ist doch schön.“
    „Nein, das macht mich kirre, wie sie sonntags
in ihrer Wohnküche hocken und diese sinnfreien Blättchen lesen. Sie rühren sich
nicht von der Stelle, sie finden das alles vollkommen normal, sie sind
zufrieden so, wie’s läuft.“
    „Sind sie nicht stolz, dass du studiert hast?“
    „Nein. Irgendwann hat mein Vater mich gefragt,
ob ich nicht lieber was Ordentliches machen will. Was Ordentliches! Da fasst du dich doch an den Kopf. Ich wollte
immer normale Eltern haben, aber das war mir nicht vergönnt.“
    „Mir auch nicht. Deshalb bin ich ja mit dir
hierher gegangen. Um dir zu zeigen, wo ich mich früher so rumgetrieben hab. Und
weil ich dich fragen wollte, ob es dir gefällt.“
    „Eher nicht. Ich fürchte, die oberen
Zehntausend sind nichts für mich. Ja gut, ich interessier mich für ihre Häuser.
Aber sonst ...“
    „Du, mal was anderes: Wenn du noch ein
Hauptgericht willst, müsstest du bezahlen.“
    „Nein danke, ich hab keinen Hunger mehr.“
    „Dann können wir ja gehen“, sagte Marie.
    „Einverstanden“,

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