Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)
Büchergeschmack lässt zu wünschen übrig.“
Als Marie sich von ihr verabschiedet hatte und
auf dem Heimweg war, dachte sie daran, dass sie Jonas heute zum ersten Mal als
ihren Freund bezeichnet hatte. Das hörte sich gut an. Aber schon im nächsten
Moment verfiel sie in Nachdenklichkeit. War er das wirklich? Neulich im
Restaurant war sie sich seiner Gefühle für sie noch sicher gewesen, aber
mittlerweile …
Konnte es sein, dass man sich in den ersten
Wochen und Monaten Illusionen über einen Menschen machte und dann feststellen
musste, dass man ihn glorifiziert hatte? Konnte es sein, dass man die
Vorstellung von etwas lieber mochte als die Wirklichkeit selbst? Und wie sollte
sie das jemals herausfinden, wenn Jonas dauernd arbeitete. Abends war er oft so
müde und abgespannt, dass er kaum wiederzuerkennen war. Warum tat er sich das
bloß an, noch dazu freiwillig?
Immerhin hatte er sich heute ab 20 Uhr
freigenommen, sodass sie sich nachher in seiner Wohnung treffen konnten.
Als Marie bei ihm ankam, öffnete er ihr mit dem
Ellenbogen die Tür. Er hatte ein Geschirrtuch als Schürze umgebunden, hielt
seine bemehlten Hände in die Luft und sagte zur Begrüßung: „Ich back gerade Hundekekse.“
„Was machst du?“, fragte sie, zwischen Lachen
und Erstaunen hin und her gerissen.
„Hundekekse backen. Was meinst du, weshalb Frau
Meyer so alt geworden ist? Weil ich sie seit Jahr und Tag mit meiner
Superspezialmischung aus Babybrei, Milchpulver, Brühe, Honig und Mehl füttere.“
Marie hängte ihre Jacke an der Garderobe auf
und folgte ihm in die Küche. Dort band sie sich ebenfalls ein Tuch vor den
Bauch und half ihm, die Zutaten zu einem festen Teig zu verkneten.
Währenddessen erzählte sie ihm von ihrer Begegnung mit Julia Ringleben und
davon, dass die seine Kollegin kannte.
„Irgendwie hängt doch alles mit jedem
zusammen“, sagte Jonas. „Das muss ich gleich morgen früh Kordula erzählen.“
Als sie die Teigmasse auf einem Holzbrett
ausrollten und mit Brotmessern in Stücke hackten, hielt er plötzlich inne und
fragte: „Nun mal raus mit der Sprache: Bei der Wievielten bist du?“
„Meinst du Bewerbungen?“, fragte Marie.
„Ja.“
„Immer noch bei der 90igsten.“
„Du legst dich ja mächtig ins Zeug. Jetzt mal
im Ernst: Was spricht dagegen, wenn du es weiter probierst? Du hast doch nichts
zu verlieren. Ich denk mir laufend was Neues aus. Deshalb bin ich auch schon
bei der 270igsten.“
„Ich wär gern so kreativ wie du. Aber leider
hab ich nicht so viele Möglichkeiten.“
„Und deshalb sagst du dir: Ich hab’s nicht
geschafft, der Biomist ist für mich gestorben?“
„Genau. Damit bin ich durch. Ist auch gut so.
Dann versauere ich wenigstens nicht in ’nem Naturkundemuseum. Im Zoo will ich
auch nicht mehr arbeiten. Einmal hab ich eine Bewerbung zurückbekommen, auf die
jemand mit Bleistift 0,1 hinter meinen Namen geschrieben hat. Das bedeutet:
Zuchtstute. Stell dir mal vor, dass dich jemand als Zuchthengst bezeichnet. Wie
würde sich das anfühlen?“
„Krass natürlich. Aber Idioten gibt’s überall.“
„Besonders im Zoo. Da wimmelt’s von Machos.“
Einen Moment lang war es still.
„Aber du willst es deinen Eltern doch zeigen.
Dann zeig’s ihnen auch. Und wenn’s auf dem direkten Weg nicht geht, musst du es
eben auf Umwegen machen. Kannst du nicht Pharmareferentin werden?“
„Ich hab kein Talent zum Verkaufen.“
„Aber du hast einen Doktorgrad. Du könntest mit
deinen Pfunden wuchern. Deine Kunden wären beeindruckt.“
„Das war vielleicht früher so. Heute ist die
Aura des Titels weg.“
„Mensch Marie, die Zukunft liegt in deinen
Händen. Mach was draus.“
„Was schwingst du hier für Reden!?“, sagte sie.
„Von dieser Zukunft merk ich nichts. Nach 90 Bewerbungen hast du ausgeträumt,
da hörst du alle Türen im Leben zuschlagen. Ich werd immer kleine Brötchen
backen müssen oder besser gesagt: kleine Kekse.“ Sie machte eine Pause, steckte
sich ein paar Teigkrümel in den Mund, kaute darauf herum, sah nachdenklich vor
sich hin … „Ich kann nicht mehr in mein früheres Leben zurück, und ich will’s
auch nicht“, sagte sie dann. „Die Dinge haben sich geändert. Ich hab mich geändert.“
„Aber du kannst doch weiter träumen.“
Warum fing er immer wieder davon an? Warum
wollte er sie ständig in eine neue Bewerbungsrunde schicken? Ob ihm ihr Job
nicht gut genug war?
„Ich hab einen Beruf, und im Großen und Ganzen
ist er toll“,
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