Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)
sagte Jonas. „Aber erst müssen
wir die restlichen Schnecken aufessen, sonst trifft deinen Clément der Schlag,
und er kann doch nichts dafür.“
Kapitel
12
Am Mittwoch tranken
Julia Ringleben und Marie nach der Arbeit noch einen Kaffee zusammen. Die Frau
hatte eine melancholisch-witzige Ader und brachte einen oft zum Schmunzeln,
fand Marie. Das Einzige, was man ihr vorwerfen konnte, war, dass sie sich für
eine völlig verblödete Hunderasse entschieden hatte. Aber das war auch schon
alles.
„Hab ich Ihnen schon mal gesagt, dass ich Sie
bewundere?“, fragte Frau Ringleben, als Marie sich später von ihr verabschieden
wollte. „Ich sitz hier im Warmen und Trockenen vor meinem Laptop, und Sie
müssen bei Wind und Wetter raus.“
„Aber das macht mir Spaß“, sagte Marie und zog
ihre Jacke an. „Und wenn’s mal keinen Spaß macht, brech ich mir auch keinen
Zacken aus der Krone.“
„Trotzdem. Sie betreiben einen Riesenaufwand,
damit es meinem Schätzchen gut geht, und dafür bin ich Ihnen sehr dankbar. Es
ist schön, dass Sie mir Daisy für ein paar Stunden am Tag abnehmen. Sonst lässt
sie mir ja keine Ruhe. Sie setzt sich immer auf ihr Hinterteil und guckt mich
mit großen Augen an … Als würde sie vor ihrem Napf hocken und auf Futter
warten. Wenn ich sie den ganzen Tag um mich haben müsste, könnte ich gar nicht
arbeiten.“
„Ich freu mich schon darauf, Ihr Buch
irgendwann zu lesen“, sagte Marie und ging zur Haustür. „Kommen Sie denn gut
voran damit?“
„Nein“, sagte Frau Ringleben und sah plötzlich
ganz betrübt aus. „Zurzeit wächst mir alles über den Kopf. Deshalb hab ich auch
eine Pause eingelegt und lenke mich mit anderen Dingen ab. Ich lese gerade Winter in Maine von Gerard Donovan. Das hat meine Freundin mir
empfohlen, weil ein Hund darin vorkommt. Aber das deprimiert mich noch mehr.
All diese Gewalt, all dieser blutige Schnee … Ein echter Runterzieher.“
„Was machen Ihre Kinder denn?“
„Fragen Sie nicht. Was die erleben … Schlimm
ist das, ganz schlimm. Als Mutter zerreißt es einem glatt das Herz. Trotzdem
lässt man sich nichts anmerken und versucht gute Miene zum bösen Spiel zu
machen. Im Moment leben sie in Hannover, Stuttgart und Ulm.“
„Was? Sind sie schon wieder woanders?“
„Ja, und die Jüngste wird demnächst nach Aachen
versetzt. Sie ist schon zu einem richtigen Umzugsprofi geworden. ’ne halbe
Stunde, und sie hat alles in Koffer und Kartons verpackt. Dabei heißt es immer,
dass Akademiker das große Los gezogen haben. Das gilt vielleicht für
Informatiker oder Softwareentwickler, aber bestimmt nicht für
Geisteswissenschaftler. Die werden immer nur an den Rand gedrängt. Ich
wünschte, meine drei würden endlich ihren Platz im Leben finden. Aber noch
sieht’s nicht danach aus. Manchmal hab ich das Gefühl, dass sie sich schämen,
weil wir ihnen finanziell noch unter die Arme greifen. Und weil mein Mann jedes
Mal hinterherfährt und ihnen die Lampen anbaut. Aber was sollen wir machen? Sie
im Regen stehen lassen?“
„Besser nicht.“
„Eben. Ach, es ist alles so ungewiss. Irgendwie
können sie weder zu Zukunft noch die Gegenwart planen. Ich weiß, die jungen
Leute in Spanien oder Griechenland sind schlimmer dran, und hier soll die Lage
ja bald besser werden. Aber darauf können meine Kinder nicht warten. Sie müssen
jetzt ihre Miete bezahlen. Wenn sie wenigstens genug Freizeit hätten. Dann
könnten sie sich was nebenher aufbauen. Aber so … Nein, es geht ihnen nicht
gut. Deshalb hängen sie auch dauernd am Telefon und telefonieren mit ihren
Schulfreunden. Gott sei Dank gibt es Flatrates.“
„Mein Freund ist Architekt, und dem ging’s
früher genauso. Der war auch schon überall, und dabei hat er tausend Leute
kennengelernt. Aber im Grund genommen war er nirgendwo und kannte niemanden.
Und als er das Geld für die Zugfahrten nicht mehr zusammenkratzen konnte, hatte
er keine Lust mehr auf diesen Irrsinn. Seitdem bewirbt er sich nur noch im
100-Kilometer-Umkreis. Sie glauben gar nicht, wie viele Bewerbungen der schon
geschrieben hat. Aber es sieht überall gleich schlecht aus. Zurzeit macht er
gerade ein Praktikum in einem Architekturbüro hier in der Stadt.“
„Das ist ja interessant. In welchem denn?“
„Bei Heise-Platt.“
„Na so was“, sagte Frau Ringleben, und ihre
Miene erhellte sich. „Dann kennt er ja Kordula. Das ist die Freundin, die mir Winter in Maine empfohlen hat. Eine tolle Frau übrigens. Nur
ihr
Weitere Kostenlose Bücher