Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)
„Aufstrebender Autor sucht
Rezensenten. 15 Euro pro Bewertung.“ Mit durchschlagendem Erfolg, wie man sah.
Dafür war also sein ganzes Geld draufgegangen. Deshalb hatte er Marie nicht
mehr bezahlen können und seinen Hund vorübergehend aus dem Verkehr gezogen.
Leider schien er nicht die Absicht zu haben,
sich deswegen schlecht zu fühlen.
„Ich hab niemanden gezwungen, positive
Rezensionen zu schreiben“, sagte er, als Marie ihn deswegen anpöbelte. „Außerdem
rühren andere auch die Werbetrommel für ihre Sache. Oder haben Sie ein
schlechtes Gewissen, wenn Sie ein Inserat im Stadtteilmagazin aufgeben, um die
Leute auf Ihren Gassiservice aufmerksam zu machen?“
„So, wie Sie es gemacht haben, war es aber nicht
gedacht“, sagte Marie und sah ihn ohne einen Funken von Sympathie an.
„Ach, kommen Sie. Früher hab ich selbst
Bewertungen verfasst, in Heimarbeit, als Produkttester und Onlineautor. Das ist
doch nichts Ehrenrühriges, sondern ein Job wie jeder andere. Dann bin ich auf
die Idee mit dem Schreiben gekommen. Ich hatte nie vor, so mein Geld zu
verdienen. Aber ich war fünf Jahre arbeitslos. Da sieht man manches anders.“
Als Marie ihn verließ, schäumte sie vor
Empörung. Der Mann schien wirklich null Unrechtsbewusstsein zu haben. Wenn es
ihm wenigstens um die Sache selbst gegangen wäre. Aber nein. Sie hatte schon
immer vermutet, dass er über Leichen ging, um an Geld zu kommen. Dieser
Verdacht bestätigte sich nun.
Als sie nach Hause kam, hatten ihr zwei Frauen
auf den AB gesprochen. Die eine suchte ab sofort eine Betreuung für ihren
Chihuahua, die andere hatte einen Riesenschnauzer und war ab September an einem
Platz interessiert. Natürlich setzte Marie sich sofort mit den beiden in
Verbindung, und so wie’s aussah, konnte aus der Sache etwas werden.
Am nächsten Morgen dann noch ein Schock: Zwei
Bekannte von Julia Ringleben riefen an und wollten sie als Hundesitterin
engagieren. Der eine hatte einen Australian Shepherd, der andere eine
Promenadenmischung, die er aus einem Elendsquartier in Südosteuropa befreit
hatte. Marie wurde fast schwindelig, als sie sich für den Abend mit den beiden
Männern verabredete.
Danach musste sie sich erst mal hinsetzen und
über die neue Lage nachdenken. Wenn alle vier Hundebesitzer zusagten, war sie
mit elf Schützlingen am obersten Ende ihrer Möglichkeiten angelangt.
Andererseits konnte und durfte sie jetzt keinen Rückzieher mehr machen und die
Leute verprellen. Kundengewinnung und Kundenbindung bedeuteten nun mal
Sicherheit. Wobei sie das letzte Wort in Gedanken groß schrieb und fett
unterstrich.
Zwei Tage später waren die neuen Verträge unter
Dach und Fach gebracht worden, und nun musste Marie ernsthaft darüber
nachdenken, wie es mit ihrem Betrieb weitergehen sollte.
Sie überlegte hin und her, und irgendwann kam
ihr eine Idee, die so verwegen war, dass ihr Puls in die Höhe schoss. Als sie
die mehrmals durchgerechnet und die verschiedenen Risiken gegeneinander
abgewogen hatte, hängte sie sich ans Telefon und wählte eine Nummer, die sie aus
dem örtlichen Telefonbuch herausgesucht hatte.
„Frommberger“, sagte die Frau am anderen Ende
der Leitung.
„Hallo, ich heiße Marie Wagner, und ich wollte
Sie fragen …“
„Sind Sie die Frau, der Jonas seinen Hund
untergeschoben hat?“
„Ich … äh … ja. Ich wollte Sie fragen, ob Sie
eventuell Interesse an einem Job hätten?“
Schweigen in der Leitung. Dann: „Sind Sie
sicher, dass Sie bei mir richtig sind?“
„Deshalb ruf ich Sie ja an. Jonas und ich sind
… nun ja, wir sind zusammen, und er hat mir erzählt, dass Sie Ihren Job in der
Bäckerei verloren haben. Da hab ich mich gefragt, ob Sie vielleicht Zeit und
Lust hätten, mir tagsüber bei den Hunden zu helfen. Ich würde Sie natürlich
einstellen. Am Anfang könnte ich Ihnen noch nicht so viel zahlen, aber über
kurz oder lang lässt sich da sicher was machen.“
Rita war sprachlos, und so, wie Jonas sie
beschrieben hatte, musste das ein seltener Zustand bei ihr sein. Normalerweise
verlor sie beim Reden keine Zeit. Wenn sie etwas zu sagen hatte, kam es laut, direkt
und ungefiltert aus ihrem Mund heraus.
Als sie schließlich wieder sprechen konnte,
verabredeten sich die beiden Frauen für den nächsten Abend in Maries Wohnung.
Als Rita kam, trug sie eine knallenge Jeans,
schwarze Overkneestiefel und ein Printshirt mit Tigermuster. Aber da sie groß
und dünn war, standen ihr die Sachen recht gut. Außerdem war sie
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