Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)
verteidigen,
und ich werde verteidigen“, rief sie. „Irgendwie bring ich
Moritz schon dazu, dass er sein Okay gibt.“ Dann lachte sie auf. „Der träumt
übrigens immer noch von einem Lehrstuhl. Dabei stehen die Chancen, dass er
einen bekommt, bei 1:1000. Am Ende muss er vielleicht doch noch an ’ner Penne
unterrichten. Das gönn ich ihm. Nur zu, fangt ruhig an, euch zu küssen, ihr zwei“,
fuhr sie fort, als sie sah, dass Marie sich unglücklich und hilflos an Jonas
festzuklammern begann. „Tut euch keinen Zwang an. Es macht mir nichts aus, die
lästige Dritte zu sein. Ich werde einfach weitertanzen und so tun, als ob ...“
Sie brach mitten im Satz ab, hob den Zeigefinger und deutete auf den
Eingangsbereich, wo Moritz im Flackerlicht der Diskokugeln stand und sich
suchend im Saal umsah. Einen Moment lang stockte ihr der Atem. Doch dann rief
sie: „War ja klar. Da geh ich zum ersten Mal auf ’ne Ü 30, und wen treffe ich?
PD Moritz Müller. Aber was soll’s. Das ist heute mein Abend, und ich lass mich hier nicht mehr
vertreiben, selbst von ihm nicht. Am besten pack ich den Stier gleich bei den
Hörnern.“ Danach steuerte sie schnurstracks auf ihn zu und begrüßte ihn.
Auch Moritz schien wenig begeistert zu sein,
seine Doktorandin hier zu treffen. Immerhin raffte er sich auf und fing ein
Gespräch mit ihr an. Wenig später verloren sich die beiden im Gewimmel.
„Wollen wir tanzen oder weiter herumhampeln?“,
fragte Jonas.
„Meinst du mich?“, fragte Marie.
„Wen sonst? Können wir loslegen?“
„Na gut. Wenn’s sein muss.“
Die nächsten Stunden waren der blanke Horror
für Marie. Sie fühlte sich von der ersten Minute an heiß und unbehaglich, und
beim Tanzen machte sie sich so steif, dass Jonas sie wie eine Wachspuppe über
das Parkett schleifen musste. Dabei schwappte der Krach der Musik wie ein
Düsenjet über sie hinweg, dieser wummmernde und brausende Rhythmus, der ihr
entsetzlich dumpf in den Ohren dröhnte und sie vor Angst erzittern ließ. Am
liebsten hätte sie geschrien: Macht das aus, macht das aus! Im Laufe der Zeit
wurde sie zwar etwas lockerer, aber Entspannung sah immer noch anders aus.
Jonas hingegen schien es einen Riesenspaß zu machen, beim Tanzen komische Verrenkungen
zu produzieren und damit alle Blicke auf sich zu ziehen. Manche Frauen geilten
sich richtig an seinem Aussehen und seinen albern-sinnlichen Bewegungen auf. Er
tat, als bemerke er es nicht. Aber davon ließ Marie sich nicht täuschen.
Natürlich bemerkte er es, und wahrscheinlich genoss er es sogar.
„Tolle Party?“, fragte er gegen zwei Uhr
nachts.
„Ja …“, sagte Marie.
„Wollen wir gehen?“
„Ja!“
Als sie den Saal verlassen wollten, kam es
Marie kurz so vor, als ob sie Danny und Moritz knutschend an der Bar gesehen
hätte. Aber dann verwarf sie diesen Gedanken wieder. So zu konnten die beiden
doch nicht sein, dass sie sich dazu hinreißen ließen. Nicht nur, dass Moritz
verheiratet war. Er stand auch für alle Dinge, die Danny bekämpfte. Und er war
sonst förmlich besessen davon, sie zu demütigen und fertigzumachen. Es war
unmöglich, dass sie das von einem Moment auf den anderen vergessen hatten.
Aber anscheinend doch, denn als Marie erneut
hinschaute, sah sie, dass die beiden auf zwei Barhockern saßen, sich an den
Haarschöpfen gepackt hielten und dabei waren, sich gegenseitig die Zungen in
die Rachen zu rammen. Das war, als würde Danny ihren Vater küssen. Tat sie ja
auch, genau genommen. Sie küsste ihren Doktorvater.
Eine Welle von Übelkeit erfasste Marie. Einen
Moment lang wusste sie nicht, ob sie sich übergeben, losheulen oder der Frau
eine kleben sollte. Sie entschied sich für die vierte Möglichkeit und verließ
fluchtartig den Saal. Draußen ging es ihr bald besser, zumindest in
körperlicher Hinsicht. Aber ihre Stimmung rutschte immer weiter in den Keller.
Als Jonas und sie später im Bett lagen, schlief
er sofort ein. Sie hingegen kam nicht zur Ruhe und änderte alle zwei Minuten
ihre verkrampfte Lage. Erst verfluchte sie die Matratze, weil sie mit einem
Meter Breite viel zu schmal für zwei Personen war. Dann verfluchte sie Danny
und Moritz, deren Anblick ihr immer noch im Kopf herumgeisterte. Zum Schluss
verfluchte sie sogar Jonas. Die Entdeckung, dass er für sein Leben gern tanzte,
bestürzte sie zutiefst. Da lag sie nun mit ihm im Bett und musste feststellen,
dass sie nichts, aber auch rein gar nichts über ihn wusste. War er überhaupt
der Mensch, der er zu
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